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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 15. Januar 2022

Alleinerbe zu 2/3 des Nachlasswertes? Ja, das ist möglich.

(dpa/tmn) Wer Alleinerbe ist, muss nicht zwingend den gesamten Nachlass erhalten. Er kann mit Vermächtnissen belastet und damit verpflichtet sein, einen Teil des Nachlasses an Vermächtnisnehmer abzugeben. Diese Vermächtnisse können auch als sog. Quotenvermächtnisse ausgestaltet sein, wonach ein bestimmter Bruchteil des Nachlasswertes auszukehren ist. Umgekehrt bedeutet das: Nicht jeder, der auf eine bestimmte Quote des Nachlasses eingesetzt ist, muss auch (Mit)Erbe sein. Die Zuwendung kann ihm auch als sog. Vermächtnis zukommen. Der Vermächtnisnehmer aber wird nicht im Erbschein genannt.

Der Fall
Eine Witwe hinterlässt bei ihrem Tod ihren ersten Sohn sowie die drei Söhne ihres bereits vorverstorbenen zweiten Sohnes. In ihrem Testament ordnet sie an, dass ihr noch lebender Sohn ihr Alleinerbe sein soll, der aber nur 2/3 ihres Vermögens erhalten soll. Das verbleibende Drittel sollen sich die Söhne ihres vorverstorbenen Sohnes teilen. Der noch lebende Sohn beantragt einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist. Hiergegen wehren sich die Enkel der Verstorbenen, die sich als Erben in Bezug auf das ihnen zugedachte Drittel ansehen.

Einsetzung auf einen Bruchteil des Nachlasses muss keine Erbeinsetzung, sondern kann auch Quotenvermächtnis sein.
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Der lebende Sohn sei Alleinerbe. Die Zuwendungen an die Enkel seien nur als Vermächtnisse anzusehen, die die Erbenstellung unberührt ließen. Zwar sei die vermeintlich eindeutige Bezeichnung als Alleinerbe nicht allein ausreichend, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Auch in solchen Fällen ist zu untersuchen, ob das Ergebnis dem Willen der Erblasserin wirklich voll entspricht. Auch wenn das Gesetz im Zweifel davon ausgeht, dass die Zuwendung eines Bruchteils des Vermögens regelmäßig als Erbeinsetzung auszulegen ist, so ist dies keineswegs zwingend. Vielmehr können auch sog. Quotenvermächtnisse ausgesetzt werden. Hier sei es naheliegend, dass die Erblasserin ihren einzig noch lebenden Sohn als Erben einsetzen wollte. Durch die Vermächtnisse an die Enkel werde dem Sohn auferlegt, einen Bruchteil des Nachlasswertes an die Enkel auszubezahlen.

Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschl. v. 11.6.2021 (10 W 34/20)