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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 1. August 2018

Auch bei einer Formulierung im Testament „Für den Fall, dass ich heute […] tödlich verunglücke […]“, kann das Testament auch für einen späteren Todesfall Gültigkeit haben

(dpa/tmn). Erblasser beginnen ihre Testamente gern mit Eingangsformeln, wie „für den Fall, dass ich heute tödlich verunglücke“. Sterben sie zu einem anderen Zeitpunkt und aufgrund anderen Ereignisses, stellt sich die Frage, ob das Testament gleichwohl Gültigkeit haben soll. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.

Der Fall

Die Erblasserin schreibt in ihr „Testament! Für den Fall, das ich heute, am 26.11.99 tödlich verunglücke, fällt mein gesamter Nachlass (Haus, Auto, Konto und persönliche Sachen) zu gleichen Teilen an: … Aufgesetzt bei bester Gesundheit und vollem Bewusstsein”.Sie stirbt erst Jahre später. Sie hatte mehrfach angedeutet, die im Testament Genannten seien nach ihrem Tod abgesichert. Die im Testament genannten sowie die gesetzlichen Erben fragen sich, ob das Testament gleichwohl gilt.

Auslegung erforderlich

Die Erbfolge richtet sich nach dem Testament und nicht nach dem Gesetz, entscheiden die Richter. Die Eingangsformulierung des Testamentes enthalte keine Bedingung, von deren Eintritt die Wirksamkeit des Testamentes abhängen sollte; in ihr werde lediglich der Anlass für die Testamentserrichtung mitgeteilt. Denn es ist auch bei einem vermeintlich eindeutigen Wortlaut stets zu fragen, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Der Wille des Erblassers sei zu erforschen, ob eine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testamentes im Rechtssinne vorliegt, mit deren Ausfall das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft unwirksam wird, oder ob es sich lediglich um die Mitteilung eines Beweggrundes oder des Anlasses für die Testamentserrichtung handelt, für deren Formulierung der Erblasser die Form eines Konditionalsatzes verwendet hat, ohne die Gültigkeit hiervon abhängig machen zu wollen. Eine solche Auslegungsbedürftigkeit ist deshalb immer dann gegeben, wenn nach Nichteintritt des genannten Ereignisses der Erblasser das Testament gleichwohl nicht widerrufen oder ein abweichendes Testament errichtet hat. Dabei komme es maßgeblich darauf an, ob sich eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem angegebenen Ereignis und dem Eintritt der testamentarisch angeordneten Erbfolge feststellen lässt. Lässt der Inhalt der Anordnungen dagegen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt als denjenigen, die Anlass für die Errichtung des Testamentes waren.

Geltung des Testaments über den genannten Fall hinaus

Hier steht die Formulierung am Eingang des Testamentes. Dies spricht bereits dafür, dass es sich eher um die Mitteilung des Gedankens an den eigenen Tod als um eine echte Bedingung handeln sollte. Es gab für die Erblasserin bei der Testamentserrichtung objektiv auch keine anstehende Situation, bei der sie ernsthaft den Eintritt ihres Todes befürchten musste. Sie war gesund und lebte nach der Testamentserrichtung noch mehr als 16 Jahre. Einer der Beteiligten vermutet, dass sie aus abergläubischen Motiven (Kartenlegen) auf den Gedanken gekommen sein mag, sie könnte an diesem Tag sterben. Bei einem derartigen Motiv der Erblasserin, das auf Aberglauben beruht, spräche sogar mehr dafür, dass sie den Eintritt ihres Todes an dem besagten Tag für sicher hielt, so dass überhaupt kein Anlass für eine Bedingung im Testament bestanden hätte. Hielt die Erblasserin dagegen nur auf Grund des allgemeinen Lebensrisikos einen Unfalltod am besagten Tag für möglich, so besteht erst Recht Grund zu der Annahme, dass die Erblasserin auch dann ihre Rechtsnachfolge regeln wollte, falls Unfallereignis und Todeseintritt infolge des Unfalls nicht am gleichen Tag eintraten oder falls der Tod unfallunabhängig und erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten sollte. Denn es sind keine Umstände festzustellen, die die Erblasserin bewogen haben könnten, nur für den einen Tag der Testamentserrichtung von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Die Umstände sprechen vielmehr dafür, dass die Erblasserin mit der testamentarischen Regelung Streit zwischen den Beteiligten vermeiden wollte. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch das Vorbringen der Beteiligten, wonach die Erblasserin das Testament nach der Errichtung nicht vergessen habe.

Kammergericht (KG), Beschluss vom24.04.2018 (6 W 10/18)