Virtueller Deutscher Anwaltstag 2021

Notarielles Nachlassverzeichnis: Anwaltschaft und Notariat im Clinch

Das DAT Online-Seminar zum Notariellen Nachlassverzeichnis beleuchtete die Reizthematik aus anwaltlicher und notarieller Perspektive.

Die rechtlichen Auseinandersetzungen rund um das Nachlassverzeichnis aus § 2314 BGB haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Anwältinnen und Anwälte haben – wenn sie für Mandantinnen für ihren Pflichtteil kämpfen – so ihre Probleme mit den Notarinnen und Notar. Die wiederum haben wenig Verständnis für das Misstrauen in ihr notariellen Nachlassverzeichnis.

Die Referenten Rechtsanwalt Dr. Claus-Hendrik Horn und Notar Dr. Stefan Heinze haben im Online-Seminar „Notarielles Nachlassverzeichnis – ein Reizthema für alle Beteiligten“ die Thematik aus notarieller und anwaltlicher Sicht beleuchtet.

Anwaltschaft will Kontrolle, das Notariat seine Unabhängigkeit

Seit 121 Jahren hat sich der Wortlaut des § 2314 BGB bis auf die Rechtschreibung nicht geändert. Umso erstaunlicher ist es, dass seit einigen Jahren die Rechtsstreitigkeiten um das Nachlassverzeichnis stark zugenommen haben. In zahlreichen Punkten ist der Inhalt des Rechts des Pflichtteilsberechtigten umstritten. Die Referenten Rechtsanwalt Dr. Claus-Hendrik Horn und Notar Dr. Stefan Heinze haben im Online-Seminar „Notarielles Nachlassverzeichnis – ein Reizthema für alle Beteiligten“ ihre jeweiligen Blickwinkel und unterschiedlichen Auffassungen präsentiert. Dabei war das Online-Seminar der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht mit 181 Teilnehmern sehr gut besucht auf dem virtuellen Anwaltstag. Und es ist klar geworden, dass ein Spannungsverhältnis zwischen dem anwaltlichen Bedürfnis nach Kontrolle und dem notariellen Bedürfnis nach Unabhängigkeit besteht.

Dreh- und Angelpunkt: Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilberechtigten

Horn beginnt mit einer Einordnung des Auskunftsanspruchs. Bei diesem ginge es um die Abhilfe der Beweisnot des Pflichtteilsberechtigten. „Ohne diese Auskünfte könne sich der Pflichtteilsberechtigte nicht die für ihn nötigen Informationen beschaffen“, sagte Horn. So habe der BGH auch klargestellt, dass der Zweck eine weite Grenzziehung des Auskunftsanspruchs nahelege (BGH NJW 1961, 602).

Die Möglichkeit eines notariellen Verzeichnisses neben einem privatschriftlichem Verzeichnis solle größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten. Der Notar sei dabei regelmäßig auch zur selbstständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, etwa um Schenkungstatbestände aufzudecken. „Dabei hat der Notar diejenigen Nachforschungen aufzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde“, sagte Horn.

Umstritten ist das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dies wirft das praktische Problem auf, wie weit der Pflichteilsberechtigte berechtigt ist, in das Erstellen des Nachlassverzeichnisses einbezogen zu werden. Horn vertrat die Auffassung, dies umfasse das Recht des Pflichtteilsberechtigten, dem Notar beim Erstellen des Verzeichnisses über die Schulter zu schauen.

Wie entsteht ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Notar Dr. Stefan Heinze widersprach dieser Rechtsauffassung. Der Pflichtteilsberechtigte könne keine Kontoauszüge verlangen. Dann könne er dies auch nicht über die Hintertür des „Über-die-Schulter-Schauens“. Auch praktisch sei das kaum machbar. „Wenn ich Kontoauszüge durchsehe, mache ich das nicht an einem Tag, sondern über mehrere Tage verteilt.“ Es sei nicht ersichtlich und auch nicht mit seiner Unabhängigkeit vereinbar, diese Aufgabe über 20 Stunden an einem Tag zu erledigen. „Man kann das anders lösen.“

Das Interesse des Pflichtteilsberechtigten an der Einbeziehung sei schließlich gerechtfertigt. Die Lösung liege darin, frühzeitig Entwürfe zu verschicken. Das geht heute auch bei umfangreichen Sachen viel einfacher als früher.“ Dann könne der Pflichtteilsberechtigte zusammen mit seinem Anwalt die Auswertungen des Notars prüfen und seinen Standpunkt vortragen.

Bei seiner Ermittlungstätigkeit beginnt Heinze zuerst mit einem Gespräch mit dem Erben. „Diese Aussagen sind erst einmal eine Grundlage. Aber ich verlasse mich natürlich nicht ausschließlich darauf.“ Weiter geht es mit naheliegenden Erkundigungsmaßnahmen wie der elektronischen Abfrage beim Eigentümerverzeichnis, dem Handelsregister und den Kontoauszügen. Dabei werfen gerade Kontoauszüge viele Probleme auf: Zum einen liegen sie dem Erben nicht immer vor, zum anderen ist es zum Teil mit hohen Kosten verbunden, diese bei Banken anzufordern, insbesondere wenn es um ausländische Banken geht. „Bei der Ermittlung werden Steuererklärung und Steuerbescheide zu selten genutzt.“ Hier seien zum Beispiel Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgelistet. Dadurch habe man schon einen guten Ansatzpunkt für die weitere Ermittlung.

Letzte Instanz Notar? Oder Kontrolle durch Anwalt? Wie es gehen könnte

In der folgenden Diskussion merkte die Moderatorin Rechtsanwältin Dr. Stephanie Herzog an, dass ohne die Möglichkeit einer Belegvorlage und der Zuziehung am Ende der Notar die letzte Instanz ohne Kontrollmöglichkeiten sei. „Wenn wir solche Notare hätten, wie Sie Herr Dr. Heinze, wäre das Leben für uns Anwälte, die die Pflichtteilsberechtigten vertreten, weit besser“, fasste Dr. Wolfram Theiss, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht zusammen. „Es wäre wunderbar, wenn das alle Notare so machen würden.“