Vom 18. November 2020
(dpa/tmn). Wer enterbt ist, kann Pflichtteilsansprüche geltend machen. Hierzu wird er vom Erben zunächst Auskunft über den Nachlassbestand verlangen. Dabei verspricht eine notarielle Aufnahme des Nachlasses eine höhere Richtigkeitsgewähr. Auch das notarielle Verzeichnis muss der Pflichtteilsberechtigte aber vom Erben verlangen. Was aber, wenn der Erbe zwar den Notar mit der Erstellung beauftragt, der Notar aber untätig bleibt? In diesem Fall ist der Erbe verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um einen Notar mittels der vorgesehenen rechtlichen Mittel zur ordnungsgemäßen Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu bewegen – mehr aber auch nicht.
Der Fall
Ein Mann setzt seine Frau zu seiner Alleinerbin ein. Nach seinem Tod nimmt seine Tochter die Witwe auf Zahlung ihres Pflichtteils in Anspruch, die daraufhin zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt wird. Die Erbin beauftragt den ansässigen Notar auch entsprechend, der mit seiner Arbeit beginnt. Als die Tochter bei der Aufnahme der beweglichen Nachlassgegenstände nicht dabei sein möchte, lehnte der Notar eine weitere Tätigkeit ab. Die Erbin erwirkt daraufhin gegen den Notar einen gerichtlichen Beschluss, in welchem er angewiesen wird, das Nachlassverzeichnis ohne Anwesenheit der Pflichtteilsberechtigten zu erstellen. Der Notar wert sich gleichwohl weiter gegen die Erstellung des Verzeichnisses mit einer Anhörungsrüge und einer erfolglosen Verfassungsbeschwerde. Schließlich legt der Notar das Verzeichnis vor. Die pflichtteilsberechtigte Tochter rügt, dass der von der Erbin beauftragte Notar, sich von Beginn an hartnäckig geweigert habe, das notarielle Nachlassverzeichnis zu erstellen. Ein solcherart zustande gekommenes Verzeichnis sei keine ordentliche Auskunft.
Erbin hat alles erforderliche getan, Beauftragung eines anderen Notars nicht zielführender
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Zwar sei der Erbe verpflichtet, alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht Stehende zu tun, um die Mitwirkung des Notars zu erlangen. Dem entsprechend habe der Schuldner einer Auskunftsverpflichtung, wenn der beauftragte Notar untätig bleibt oder unzureichend tätig wird, im Wege der Dienstaufsicht oder im Zivilrechtsweg ein hinreichendes Nachlassverzeichnis zu erzwingen, indem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Notar eingeleitet werden, oder aber einen anderen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beauftragen. Die Erbin habe diesen Anforderungen aber entsprochen. Sie hat den Notar unverzüglich beauftragt und diesen gerichtlich anweisen lassen, das Verzeichnis ohne Beisein der Pflichtteilsberechtigten zu erstellen. Dass sich das Verfahren durch eine anschließende Anhörungsrüge seitens des Notars und die spätere Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch diesen in die Länge zog, sei nicht der Erbin anzulasten. Auch habe die Tochter nicht dargetan, dass die Beauftragung eines anderen Notars zweckmäßiger gewesen wäre. Dies sei auch insbesondere mit Blick auf die fortbestehenden massiven Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens durch das Virus SARS-CoV-2 nicht anzunehmen. Die Tochter muss sich folglich mit dem vorgelegten Verzeichnis zufriedengeben.
Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Beschluss vom 10.8.2020 (12 W 136/20)