Vom 20. Juli 2022
(dpa/tmn). Rechtsanwälten ist es verboten, widerstreitende Interessen in der gleichen Sache zu vertreten. Verstoßen sie hiergegen, so wird dies mit dem Verlust ihres Honoraranspruchs sanktioniert. Doch wann liegt ein solcher Interessenwiderstreit vor? Nicht schon stets dann, wenn abstrakt ein Interessenkonflikt vorliegt, weil etwa Alleinerbe und Pflichtteilsberechtigter vertreten werden. Ein Rechtsanwalt kann beide vertreten, solange sie gleichgerichtete Interessen verfolgen.
Der Fall
Ein Rechtsanwalt wird in einer Nachlassangelegenheit sowohl für die Alleinerbin als auch für die Pflichtteilsberechtigte tätig. Er ist beauftragt, die Veräußerung einer Immobilie zu begleiten, die Miteigentum der Pflichtteilsberechtigten und zunächst des Erblassers, dann der Alleinerbin stand. Als der Rechtsanwalt sein Honorar abrechnen will, weigern sich die Mandanten, die Gebührenrechnung zu bezahlen, da eine Interessenkollision vorgelegen habe.
Klammerwirkung eines gemeinsamen Erbfalles führt nicht zwingend zu Interessenkollision
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Der Auftrag an den Rechtsanwalt ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten nichtig. Zwar ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen in derselben Sache zu vertreten. Dies ergibt sich aber nicht schon zwingend aus der Klammerwirkung des erbrechtlichen Falles. Allerdings können sich aufgrund der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestands gegenläufige Beratungspflichten eines Rechtsanwalts gegenüber Pflichtteilsberechtigtem und Alleinerben ergeben. Von einer solchen Konstellation sei hier aber nicht auszugehen. Bei dem zu veräußernden Grundstück handelt es sich zwar um einen Nachlassgegenstand. Sowohl beim Verkauf als Miteigentümer als auch in ihren jeweiligen Positionen als Alleinerbin und als Pflichtteilsberechtigte sind die Interessen aber nicht als gegenläufig, sondern gleichgerichtet im Hinblick auf ein möglichst großes Nachlassvermögen und die Erzielung des bestmöglichen Verkaufserlöses für das Nachlassgrundstück einzustufen. Die gemeinsame Vertretung sei dem Rechtsanwalt daher nicht zu verwehren, da das Mandat auf die Wahrnehmung der dargestellten gleichgerichteten Interessen begrenzt und der Rechtsanwalt nicht auch mit der Abwicklung der Pflichtteilsansprüche befasst worden sei. Die bloße (latente) Möglichkeit, dass später bei einem Ausgleich unter den Beteiligten unterschiedliche Interessen zutage treten, stünden einer gemeinsamen Vertretung nicht entgegen. Daher ist das Honorar zu bezahlen.
Oberlandesgericht (OLG) Koblenz Beschl. v. 1.3.2022 (15 U 1409/21)