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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 1. Oktober 2015

Die Langlebigkeit eines vor einem medizinischen Eingriff errichteten Testamentes

(dpa/red). Medizinische Operationen sind immer heikel und wecken beim Patienten Ängste. Daher errichtet manch einer noch vorher schnell sein Testament für den Fall, dass er diese nicht überlebt oder dadurch geschäftsunfähig wird. Das OLG Düsseldorf musste entscheiden, ob ein solches kurz vorher errichtetes Testament auch nach einem medizinischen Eingriff Gültigkeit besitzt. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

 

Der Fall

Die Erblasserin litt unter Leukämie und musste sich bei örtlicher Betäubung einer Biopsie unterziehen. An diesem Tage errichtete sie auf einem kleinen Zettel formwirksam folgende letztwillige Verfügung: „Dies ist mein Testament: Sollte heute bei diesem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen, vermache ich mein ganzes Vermögen Herrn A. … Dieses ist mein letzter Wille.“ Zwar verlief der Eingriff ohne Komplikationen; die Erblasserin verstarb dennoch 5 Monate später. Herr A, ihr Lebensgefährte, beantragte einen Erbschein zu seinen Gunsten, wogegen sich die Schwester und die Neffen bzw. Nichten der Erblasserin wehren wollten.

 

Sterben als Bedingung?

Nach dem OLG Düsseldorf sind solche Formulierungen „Sollte heute bei diesem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen“, wie sie auch die Erblasserin wählte, auslegungsbedürftig. Es muss entschieden werden, ob es sich um eine Bedingung für die Erbeinsetzung oder die bloße Mitteilung eines Beweggrundes, eines Motives bzw. des Anlasses für die Testierung handelt. Bei einer Bedingung muss der Wille des Erblassers erkennbar sein, die Wirksamkeit der Erbeinsetzung mit dem angegebenen, von ihm selbst für ungewiss gehaltenen Umstand unmittelbar zu verknüpfen. Sprich, fällt die Bedingung weg, weil der Tod durch den medizinischen Eingriff nicht eintritt, soll die bedachte Person auch nicht Erbe werden.

 

In der Regel verwendet ein Erblasser solche Formulierungen, um auszudrücken, warum er sich veranlasst gesehen hat, das Testament zu errichten und die darin vorgesehene (allgemeingültige) Regelung für die Rechtsnachfolge nach seinem Tod zu treffen. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Erblasser diese Rechtsfolge nur dann will, wenn der Eingriff einen negativen Ausgang nimmt. Gerade im vorliegenden Fall ließe sich argumentieren, es sei so unwahrscheinlich, dass eine Biopsie mit nur örtlicher Betäubung tödlich verlaufe, dass gerade deshalb die Erbeinsetzung davon unabhängig gewollt gewesen sein müsse.

 

Im Zweifel auf Dauer angelegt

Die Rechtsprechung sieht solche im Hinblick auf einen medizinischen Eingriff errichtete Testamente in der Regel nicht als Schnellschuss an, der im Überlebensfall nicht mehr gilt. Vielmehr handelt es sich um wirksame dauerhafte Testamente. Nach einer erfolgreichen Operation ändern sich viele Sichtweisen, sodass auch ein solches Testament überdacht werden sollte.

 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. August 2015 (AZ: I-3 Wx 191/14)