Vom 6. Januar 2011
Häufig findet sich in gemeinschaftlichen Testamenten von Ehepaaren eine Erbeinsetzung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“. Sterben die Ehepartner jedoch – wie in aller Regel – nacheinander, kann das zu Streitigkeiten unter den möglichen Erben führen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass die Formulierung “Für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben sollten…“ , auch so ausgelegt werden kann, dass der Fall eines in zeitlich größerem Abstand aufeinanderfolgenden Versterbens eingeschlossen ist. Das Gericht muss dann Umstände ermitteln, die für eine solche Auslegung wesentlich sein können. Ein Ehepaar setzte sich 1982 in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Ehemann verstarb 2007. Zu diesem Zeitpunkt war die Erblasserin bereits nicht mehr testierfähig. Ein Satz im Testament lautete: „Für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben sollten, soll unser Nachlass fallen an unsere beiderseitige Nichte …“ Die möglichen Erben stritten nun darüber, ob dieser Satz des Testaments so auszulegen sei, dass die Nichte auch bei einem aufeinander folgenden Versterben der Eheleute als Schlusserbin eingesetzt sein sollte. Die Nichte beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte, einer der gesetzlichen Erben einen Erbschein, der die gesetzliche Erbfolge ausweisen sollte.
Gegen die Ankündigung des Amtsgerichts, einen Erbschein für die gesetzliche Erbfolge auszustellen, legte die Nichte der Verstorbenen Beschwerde vor dem Landgericht ein. Ohne Erfolg. Ihre Einsetzung als Erbin beziehe sich dem Wortlaut nach allein auf den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Eheleute, so die Richter. Eine Auslegung, dass die Schlusserbeneinsetzung auch für den Fall gelten solle, dass ein Ehepartner den anderen um mehrere Jahre überlebe, sei nicht möglich. Hierfür finde sich im Wortlaut des Testaments kein hinreichender Hinweis.
Das sah das OLG jedoch anders. Die Richter hoben den angefochtenen Beschluss auf und verwiesen den Fall zur Neuverhandlung zurück an das Landgericht. Ein Testament sei nicht allein nach seinem Wortlaut auszulegen, so die Richter. Man müsse daher zunächst versuchen, anhand aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen den tatsächlichen Willen der Erblasser zu ermitteln. Schon der Begriff „gleichzeitiges Versterben“ sei nicht eindeutig. Da ein wirklich gleichzeitiges Ableben äußerst selten und kaum nachweisbar sei, sei hiermit auch der Fall gemeint, dass der Tod der Eheleute in kurzem zeitlichen Abstand eintrete. Damit sei klar, dass die Formulierung im Testament in jedem Fall auslegungsbedürftig sei.
Die Richter betonten allerdings auch, dass man zunächst vom Wortlaut des Testaments auszugehen habe. Es seien hohe Anforderungen an den Nachweis zu stellen, dass die Erblasser bei Verwendung des Begriffs „gleichzeitiges Versterben“ auch den Fall eines um Jahre auseinander liegenden Todes gemeint hätten.
Solche Zweifelsfälle lassen sich allerdings von vornherein durch eindeutige Formulierungen im Testament vermeiden. Die Erbrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins empfehlen, in einem gemeinschaftlichen Testament klar zu regeln, ob die Formulierung des gleichzeitigen Versterbens wirklich auf den – sehr seltenen – Fall eines gleichzeitigen Todes beschränkt sein soll oder nicht.
Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 06. Januar 2011(AZ: I-15 Wx 484/10)