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Aktuelle Rechtstipps

Vom 4. Juni 2010

Erbenhaftung: Grenzen der Erkundigungs- und Ermittlungspflicht des Erben bei Aufnahme eines Inventars

Ein Erbe muss eine Inventarliste über das Erbe erstellen, wenn so genannte Nachlassgläubiger, also Gläubiger des Erblassers, dies verlangen. Dabei wird aber die Ermittlungspflicht des Erben unterschiedlich beurteilt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass den Erben bei der Aufnahme eines Inventars eine Verpflichtung, Erkundigungen einzuholen, nur insoweit trifft, als er konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachlassgegenstände hat. Die in Betracht kommenden Ermittlungen müssen außerdem nach Umfang, Erfolgsaussichten und Kosten zumutbar sein. Nur vage Anhaltspunkte dafür, dass es weiteres zum Nachlass gehörendes Vermögen gibt, begründen keine so genannte Ermittlungsobliegenheit.

Der Erbe war ein nichtehelicher Sohn des Erblassers, der zu diesem kaum Kontakt hatte. Die Stellung als Alleinerbe fiel ihm zu, weil die Ehefrau des Erblassers und die ehelichen Kinder die Erbschaft ausgeschlagen hatten. Ein Nachlassgläubiger verlangte die Erstellung einer Inventarliste. Der Erbe wollte hierfür eine Fristverlängerung, da der Erblasser an mehreren Firmen beteiligt gewesen sei. Zudem seien die Geschäftsunterlagen von den Töchtern des Erblassers vor der Erbausschlagung aus den geschäftlichen und privaten Räumen des Vaters entfernt worden. Herausgabe- und Auskunftsverlangen seien bislang ohne Antwort geblieben. Als er eine erneute Fristverlängerung beantragte, ergab sich die Frage, welchen Umfang seine Erkundigungen überhaupt haben müssten. Das Gesetz regelt diese Frage nicht ausdrücklich. Nach Auffassung der Richter richtet sich das Ausmaß der Verpflichtung zur Recherche danach, welche Funktion das Inventarverfahren haben soll und welche Rechtsfolgen unter Umständen damit verbunden sind. Die Inventarerrichtung dient sowohl den Interessen des Erben als auch denen der Nachlassgläubiger.

Der Erbe kann durch das Verfahren den Nachlassbestand dokumentieren und sich so die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung erhalten. Die Nachlassgläubiger erhalten einen Überblick über den Nachlassbestand und damit über mögliche Vollstreckungsgegenstände, mit denen die Forderungen der Gläubiger unter Umständen beglichen werden können. Den Interessen beider Seiten wäre mit einer ausufernden Ermittlungsobliegenheit des Erben nicht gedient. Der Erbe muss ein vitales Interesse haben, dass die ihn treffende Verpflichtung hinsichtlich Anlass und Umfang weiterer Ermittlungen einschätzbar ist. Hinzu kommt, dass der Umfang der möglichen Ermittlungen nicht zuletzt auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Erben abhängig ist. Die Nachlassgläubiger haben hingegen ein offenkundiges Interesse, dass das Inventar einerseits möglichst vollständig, andererseits aber auch innerhalb absehbarer Zeit vorgelegt wird. Dem würde es widersprechen, wenn der Erbe die Errichtung des Inventars mit der Begründung, er habe mehr oder weniger konkrete Hinweise auf weitere Nachlassgegenstände, hinauszögern könnte.

Ein angemessener Interessenausgleich rechtfertigt danach allenfalls die Annahme einer Erkundigungsobliegenheit, die an konkrete Erkenntnisse über identifizierbare, weitere Nachlassgegenstände anknüpft. Dabei müssen Erfolg versprechende Erkundigungen nach Art und Kostenaufwand zumutbar sein. Anknüpfungspunkt kann danach nur ein konkreter Hinweis auf einen bestimmten Vermögensgegenstand sein, nicht hingegen eine allgemein gehaltene Information, etwa dass möglicherweise im Ausland weitere Konten oder Beteiligungen bestehen. Hinzukommen muss, dass die Existenz und die Nachlasszugehörigkeit des fraglichen Vermögensgegenstandes durch einfache Nachfrage bei einer identifizierbaren, grundsätzlich zur Auskunft bereiten Stelle (Grundbuchamt, Handelsregister, sonstige öffentliche Stellen, Banken, ggf. aber auch Privatpersonen) einigermaßen zuverlässig und in überschaubarer Zeit zu klären sind. Bei der Erstellung einer Inventarliste sollte man sich anwaltlicher Hilfe versichern. Einen im Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt findet man auf dieser Homepage auf der Startseite.

Oberlandesgericht Hamm, 4. Juni 2010 (AZ: I-15 Wx 68/10, 15 Wx 68/10)