Vom 22. Juli 2010
Der Verkauf eines Grundstückes kann auch gegen den Willen einzelner Miterben einer Erbengemeinschaft zulässig sein. Voraussetzung ist, dass der Nachlass dadurch nicht wesentlich verändert wird. Das Oberlandesgericht Koblenz hat jetzt entschieden, dass dies auch dann der Fall ist, wenn der materielle Wert des Erbes nicht gemindert wird.
In diesem Fall sind die Miterben verpflichtet, dem Verkauf zuzustimmen. In einer aus sechs Personen bestehenden Erbengemeinschaft schlossen die spätere Klägerin und zwei weitere Miterben einen notariellen Vertrag über den Verkauf eines unbebauten Grundstücks, das den wesentlichen Teil des Nachlasses bildete. Käufer war eine Kirchengemeinde. Als Kaufpreis wurden 13.515 Euro vereinbart. Von den nicht zum Notartermin erschienenen Miterben verweigerte nur einer die Zustimmung.
Der Mann war zu 1/24 am Erbe beteiligt. Die Frau, die den Miterben daraufhin auf Abgabe einer Genehmigung verklagte, war es zur Hälfte. Die Klage der Frau hatte Erfolg. Die Erbengemeinschaft habe einen Anspruch darauf, dass der Beklagte dem notariellen Vertragsschluss zustimme und so den vorgesehenen Grundstücksverkauf ermögliche. Der Verkauf gehöre zu den möglichen Verwaltungsmaßnahmen einer Erbengemeinschaft. Die Verwaltung eines Nachlasses erschöpfe sich nicht in dessen Sicherung, Erhaltung und Nutzung, sondern umfasse eben auch die Veräußerung von Nachlassgegenständen. Allerdings folge daraus nicht, dass durch Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft jede Verfügung zulässig wäre. Veräußerungen, die eine „wesentliche Veränderung“ nach sich zögen, seien gegen den Willen einzelner Miterben nicht möglich. Eine „wesentliche Veränderung“ sei dann gegeben, wenn „die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses als Ganzes in einschneidender Weise geändert würde“.
Das bedeute, der materielle Wert dürfe nicht gemindert werden. Zweck des Gesetzes sei es gerade, wirtschaftliche Einbußen bis zur Teilung des Nachlasses zu vermeiden. Eine solche Gefahr sei jedoch bei diesem Grundstücksverkauf nicht gegeben und vom Beklagten auch nicht behauptet worden. Den Kaufpreis, den die Erbengemeinschaft erziele, sei angemessen. Überdies präge das Grundstück, auch wenn sein Wert verglichen mit den anderen ererbten Gegenständen hoch sei, den Nachlass nicht wesentlich. Es sei unbebaut und werde augenscheinlich nicht weiter genutzt. Daneben gebe es ein zweites unbebautes Grundstück, das sogar noch größer sei. Die Richter wiesen darauf hin, dass außerdem die Mehrheitsmeinung der Erbengemeinschaft nur dann verbindlich sei, wenn es um die „ordnungsgemäße“ Verwaltung des Nachlasses gehe. Auch das sei hier der Fall. Entscheidend sei dabei der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers. Ein solcher komme zu dem Ergebnis: Für das Grundstück gebe es aufgrund von Lage und Zuschnitt keinen anderen Kaufinteressenten als die Kirchengemeinde. Die bloße Hoffnung des Beklagten darauf, von dritter Seite einen höheren Kaufpreis zu bekommen, habe offensichtlich keinen greifbaren Hintergrund. Das Grundstück ist seit 25 Jahren Bestandteil des Nachlasses. Es sei nicht zu erkennen, dass die Erben in dieser Zeit irgendwelche Früchte oder Gebrauchsvorteile hätten ziehen können.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 22. Juli 2010, Az: 5 U 505/10