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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 20. Mai 2020

In der Zuwendung nur einzelner Nachlassgegenstände liegt nicht unbedingt eine Enterbung der gesetzlichen Erben

(dpa/tmn). Oft wenden Menschen in ihrem Testament nur einzelne Gegenstände ihren Freunden und Verwandten zu. Dann haben die Gerichte zu entscheiden, ob hierin eine Erbeinsetzung zu sehen ist oder ob die gesetzlichen Erben zum Zuge kommen, die die genannten Gegenstände dann aber als Vermächtnisse abgeben müssen. Entscheidend kommt es dabei auf den zu ermittelnden Wilen des Verstorbenen an.

Der Fall

Ein Mann adoptiert nach dem Tod seiner Ehefrau deren Nichte und überträgt ihr ein Sechs-Familienhaus. Sonst hat er keine Kinder. In seinem Testament vermacht er sein Haus einer Freundin, seine Ferienwohnung seinen beiden Geschwistern, ein weiteres Grundstück dem Sohn seiner Nichte. Als er stirbt hinterlässt er außer den im Testament genannten weitere Immobilien und sonstige erhebliche Werte. Die adoptierte Nichte beantragt ein Europäisches Nachlasszeugnis, in dem sie als Alleinerbin ausgewiesen wird.

Gesetzliche Erbfolge trotz Zuwendung einzelner Gegenstände

Zu Recht urteilen die Richter. Auch wenn die Nichte im Testament nicht genannt ist, so ist sie doch aufgrund der Adoption alleinige gesetzliche Erbin. Die anderen Zuwendungen stellen allein Vermächtnisse dar. Denn diesen sind allein einzelne Gegenstände zugewendet worden. Das ist nach dem Gesetz im Zweifel nicht als Erbeinsetzung aufzufassen. Vorrangig kommt es aber immer auf den Willen des Testierenden an. Vor allem, wenn dieser praktisch sein gesamtes Vermögen aufteilt, ist davon auszugehen, dass er möchte, dass die Bedachten seine Erben sind. Denn es ist nicht anzunehmen, dass er überhaupt keinen Erben berufen will. So kann selbst in der Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes eine  Erbeinsetzung zu sehen sein, wenn sein Wert das übrige Vermögen so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als wesentlichen Nachlass angesehen hat. All das ist aber hier nicht der Fall.  Vielmehr legen die Umstände nahe, dass sich dem Erblasser im Zeitpunkt der Testierung sehr wohl bewusst war, dass er neben den Immobilien weiteres Vermögen hatte. Daher ist davon auszugehen, dass der Erblasser es bei der gesetzlichen Erbfolge belassen wollte, seine adoptierte Nichte aber mit verschiedenen Vermächtnissen zugunsten deren im Testament genannten Personen beschweren wollte.

Oberlandesgericht (OLG) München, Beschl. v. 19.2.2020 (31 Wx 231/17, 31 Wx 502/19)