Vom 30. November 2022
(DAV) Allein der Wunsch der Eheleute, dass die im Testament genannten Personen nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten das Wohnhaus erhalten sollten, der dem gemeinschaftlichen Testament zu entnehme ist, reicht nicht aus, um das Testament dahingehend auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten.
Der Fall
Eheleute errichten 2019 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie unter der Überschrift „Wohnhaus“ verfügen, dass ihr Wohnhaus und Grundstück nach dem Tod des länger lebenden Eigentümers an die gemeinsame Tochter vererbt werden soll. Neben der Immobilie im Wert von 500.000 € hatten die Ehegatten noch Sparvermögen in Höhe von 250.000 €. Das Nachlassgericht ging davon aus, dass sich die Ehegatten nach dem ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollten. Hiergegen wendet sich der Sohn der Eheleute und meint, es sei gesetzliche Erbfolge nach dem Tod des ersten Elternteils eingetreten.
Zuwendung einer Immobilie nach dem Tod beider Ehegatten nicht unbedingt gegenseitige Alleinerbeneinsetzung
Zu Recht, urteilt das Gericht. Dem Testament lasse sich nicht entnehmen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, so dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Zwar sei zutreffend, dass dem Testament der Wunsch der Eheleute zu entnehmen sei, dass die Tochter nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten das Wohnhaus erhalten soll. Dies reiche aber nicht aus, um das Testament dahingehend auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten. Hierzu findet sich im Testament keine Andeutung. Das Testament von 4.3.2019 enthalte keine ausdrückliche Einsetzung der Ehefrau des Erblassers für den ersten Erbfall. Sie ergebe sich auch nicht aus der Auslegung des Testaments. Denn hier fehle es schon an einer Erbeinsetzung der Tochter für den zweiten Erbfall. Wenn aber das Testament nur Vermächtnisse und keine Erbeinsetzung enthalte, so könne aus ihm nicht auf eine gegenseitige Erbeinsetzung für den ersten Todesfall geschlossen werden. Die Immobilie stelle hier keinesfalls den wesentlichen Nachlass dar und es sei nicht ersichtlich, dass die Ehegatten davon ausgegangen seien, dass ihr Vermögen durch die Zuwendung der Immobilie erschöpfend aufgeteilt worden sei. Auch die Überschrift „Wohnhaus“ spreche dafür, dass nur über einen Vermögensgegenstand und nicht über den gesamten Nachlass verfügt worden sei. Damit ist nach dem erstversterbenden Ehegatten gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Beschl. v. 9.8.2022 (3 W 67/22)