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Aktuelle Rechtstipps

Vom 18. Juni 2012

Kein Zweifel an Testierfähigkeit wegen fortgeschrittener Krebserkrankung

Bestehen Zweifel an der Testierfähigkeit eines Erblassers, muss ein psychiatrischer Sachverständiger hinzugezogen werden. Das Oberlandesgericht Bamberg hat allerdings eine solche Hinzuziehung allein wegen des Umstandes einer fortgeschrittenen Krebserkrankung abgelehnt.

Testierfähigkeit

Setzt ein Erblasser ein Testament auf, muss er wissen, welchen Inhalt es haben soll. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil darüber zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Auswirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Erben und derjenigen, die vom Erbe ausgeschlossen werden, haben. Das umfasst auch die Gründe, welche für und gegen die Anordnungen sprechen. Darüber hinaus muss der Erblasser auch frei von Einflüssen Dritter handeln können. Das schließt aber nicht aus, dass er Anregungen Dritter aufnimmt und sie kraft eigenen Entschlusses in seiner letztwilligen Verfügung umsetzt.

Der Fall

Der Erblasser war unverheiratet und kinderlos. In den letzten Jahren vor seinem Tod lebte er mit der im Testament genannten Erbin zusammen. Sieben Tage vor seinem Ableben setzte er in seiner Wohnung ein notarielles Testament auf. In diesem setzte er die Frau und als Ersatzerbin deren Tochter ein. Gleichzeitig schloss er seine Schwestern und deren Kinder von jeder Erbfolge aus. Als die Erbin einen Erbschein beantragte, behaupteten die Schwestern, das Testament sei ungültig, da der Erblasser testierunfähig gewesen sei.

Die Entscheidung

Das sahen die Richter anders. Es müssten konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vorliegen. Die fortgeschrittene Krebserkrankung allein reiche dafür nicht aus. Weder der bei der Testamentserstellung anwesende Notar noch sein Rechtsanwalt hätten Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit gesehen. Es sei dem Erblasser vielmehr schon seit längerem darum gegangen, die spätere Erbin erbrechtlich abzusichern. Auch nach Auskunft seines Arztes ergäben sich keine medizinischen Anhaltspunkte für solche Zweifel. Die eingenommenen Medikamente hätten sicher keinen Einfluss auf die geistigen Fähigkeiten des Patienten gehabt. Es bleibe allein der Umstand, dass der Verstorbene sterbenskrank gewesen sei. Eine solche psychische Ausnahmesituation reiche aber nicht aus, um die Testierfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Daher müsse auch kein psychiatrisches Gutachten eingeholt werden. Vielmehr entspreche das Testament dem letzten Willen des Erblassers.

Entscheidung des Oberlandesgericht Bambergs vom 18 Juni 2012 (AZ: 6 W 20/12)