Vom 3. Juli 2019
(dpa/tmn). Setzen sich Ehegatten in einem Berliner Testament zunächst gegenseitig und dann ihren gemeinsamen Sohn zu Erben ein, so ist der Überlebende von ihnen nach dem Tod des Erstversterbenden und des Sohnes ohne ausdrückliche Anordnung in der Regel nicht gehindert, neu zu testieren.
Der Fall
Ehegatten verfassen ein gemeinsames Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und ihren gemeinsamen Sohn als Schlusserben nach dem Letztversterbenden von ihnen einsetzen. 1989 verstirbt die Ehefrau; der Sohn verstirbt 1996 und hinterlässt zwei Kinder. Hiernach errichtet der Ehemann ein neues Testament zugunsten seiner neuen Lebensgefährtin. Nach seinem Tod im Jahre 2017 sind die Enkelkinder der Ansicht, dass ihnen das Erbe ihres Großvaters zusteht.
Keine unwiderliche Erbeinsetzung durch Vermutungsregeln
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Die Enkelkinder würden nur dann Erben nach ihrem Großvater, wenn sie im gemeinschaftlichen Testament der Großeltern zu „Ersatzerben“ ihres Sohnes eingesetzt worden wären und das mit bindender Wirkung. Eine ausdrückliche Regelung, dass die Enkelkinder statt ihres Sohnes Erben werden sollen, findet sich in dem gemeinschaftlichen Testament nicht. Nach dem Gesetz wird jedoch vermutet, dass bei Vorversterben eines zum Erben eingesetzten Kindes, dessen Kinder, also die Enkel, an seine Stelle treten. Grundsätzlich kann ein Erblasser seine letztwillige Verfügung jederzeit ändern. Dies gilt aber dann nicht, wenn sie bindend erfolgt ist. Verfügen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament letztwillig, so ist der überlebende Ehegatte hieran gebunden, wenn es sich um eine wechselbezügliche Verfügung handelt. Dies ist dann der Fall, wenn also die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Eine solche Verfügung kann nach dem Tod des Erstversterbenden vom Überlebenden nicht mehr abgeändert werden. Auch hierzu hält das Gesetz eine Vermutungsregelung bereit: Setzten sich Ehegatten gegenseitiger zu Erben ein und eine ihnen nahestehende Person als Erben des Letztversterbenden, so ist im Zweifel von einer wechselseitigen Verfügung auszugehen. So wäre die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes bindend erfolgt; sie entfiel aber mit seinem Tod, sodass der Ehemann wieder frei war, anderweitig zu testieren. Eine Bindung auch an die Erbeinsetzung der Enkel, aus der kombinierten Anwendung zweier Vermutungsregeln zu folgern, ginge nach Ansicht der Richter zu weit, weil sich hieraus nicht mit Sicherheit folgern lässt, dass diese Rechtsfolge von den Ehepartnern gewollt war. Es sei genauso denkbar, dass sie sich für den Fall des Vorversterbens ihres Sohnes die Möglichkeit offenhalten wollten, die Erbfolge anderweitig zu regeln.
Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 15.02.2019 (10 W 16/18)