Vom 20. November 2019
(dpa/tmn). Die Auszahlung des Pflichtteils kann den Erben zwingen, ein ererbtes Familienwohnheim zu veräußern. Dies kann eine unbillige Härt darstellen, die den Erben berechtigt, Aufschub für die Zahlung zu beantragen. Dies ist aber nicht immer der Fall, sondern es sind stets die Umstände des Einzelfalls zu beachten.
Der Fall
Eine Enkelin wird Alleinerbin ihres Großvaters. Ihre Mutter und ihr Onkel werden im Testament des Großvaters nicht bedacht. Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses ist ein bebautes Grundstück. Die Enkelin zieht nach dem Tod ihres Großvaters mit ihrem Ehemann und ihren fünf Kindern aus ihrem alten Haus aus und in die geerbte Immobilie des Großvaters ein. Sie belastet das Grundstück mit einer Grundschuld, um einen Kredit zur Renovierung der Immobilie aufzunehmen. Mutter und Onkel machen nun ihren Pflichtteil geltend. Die Enkelin beantragt die Auszahlung des Pflichtteils bis zum Jahr 2024 aufzuschieben; ihre Kinder seien dann aus dem Gröbsten raus. Sie sei zurzeit verschuldet, ihr Mann arbeitslos und ihr sei eine Zahlung nicht möglich, ohne das ererbte Familienheim zu verkaufen.
Keine Stundung, wenn der Erbe bereits ein Familienheim besaß
Die Richter lehnen eine Stundung, also eine Aufschiebung der Auszahlung des Pflichtteils ab. Zwar wird eine Stundung des Pflichtteils oft genehmigt, wenn der Nachlass im Wesentlichen nur aus dem durch den Erben bewohnten Familienheim besteht. Im hiesigen Fall stehen der Stundung aber trotzdem mehrere Gründe entgegen. Zum einen verfügte die Erbin bereits vor dem Erbfall über ein anderes Haus, in dem sie mit ihrer Familie wohnte, und machte erst danach durch ihren Umzug die Immobilie des Großvaters zu ihrem neuen Familienheim. Es bestand für sie keinerlei Notwendigkeit in die ererbte, zudem noch renovierungsbedürftige Immobilie einzuziehen.
Keine Stundung bei dauerhafter Zahlungsunfähigkeit
Zum anderen ist die Stundung nur dann sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass sich die finanzielle Situation des Schuldners in absehbarer Zeit verbessert. Das ist bei der Enkelin nicht der Fall.
Keine Stundung, wenn die Zahlung faktisch bereits stark verzögert ist
Letztlich ist bei der Entscheidung über den Stundungsantrag auch die Zeit zu berücksichtigen, die durch das Klageverfahren bereits vergangen ist. Hier sind seit der Geltendmachung des Anspruchs auf Auszahlung des Pflichtteils bereits fünf Jahre vergangen. Eine noch längere Verzögerung der Auszahlung des Pflichtteils ist nicht zu rechtfertigen. Auch das fortgeschrittene Alter der Mutter und des Onkels (59 und 62 Jahre), die übergroße Dimension der Immobilie, sowie bereits bestehende Kaufangebote ließen die Richter in ihre Entscheidung einfließen. Eine Stundung kommt aus diesen Gründen letztlich für sie nicht in Betracht.
Oberlandesgericht (OLG) Rostock, Urt. v. 20.06.2019 (3 U 32/17)