Vom 4. Juli 2018
(dpa/tmn). Der Erblasser kann ein Testament jederzeit und ohne besonderen Grund widerrufen. Alleine eine durchgestrichene oder vernichtete Kopie eines Testamentes lässt aber nicht eine Aufhebungsabsicht vermuten.
Der Fall
Die Erblasserin setzt die eine Tochter zur Alleinerbin ein und gibt ihr das entsprechende Testament. Die andere soll nur ihren Pflichtteil erhalten. Bei einem Besuch der ganzen Familie kommt es zum Streit, im Rahmen dessen der Ehemann der enterbten Tochter eine Kopie des Testamentes zerreißt und sodann mit Tesafilm wieder zusammengeklebt wird, um hierauf handschriftlich einzutragen, dass das Testament für ungültig erklärt wird. Die Erblasserin und die anwesende Familie unterschreiben dies. Außerdem wird der Testamentswortlaut durchgestrichen. Nicht geklärt werden kann, ob die Erblasserin selbst diese Durchstreichungen vorgenommen hat.
Möglichkeiten des Widerrufs
Das OLG weist darauf hin, dass der Erblasser ein Testament jederzeit und ohne besonderen Grund widerrufen kann. Der Widerruf eines Testaments kann unter anderem durch ein reines Widerrufstestament oder dadurch erfolgen, dass der Erblasser in der Absicht, das Testament aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt wird. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Dies alles gilt aber nur, wenn der Erblasser selbst dies getan hat und nicht wenn Dritte die Veränderungen vorgenommen haben.
Zweifel über den Aufhebungswillen bestehen
Das Gericht konnte gleichwohl die Frage offenlassen, ob die Erblasserin die Durchstreichungen selbst vorgenommen hat oder jedenfalls andere als Werkzeug hierzu benutzt hat. Vernichtet oder verändert der Erblasser von mehreren Testamentsurschriften nur eine, so gilt aber die Vermutung eines Aufhebungswillens gerade nicht. Dies gilt erst recht, wenn es sich bei dem vorliegend veränderten Testamentsexemplar nur um eine Kopie handelt. Liegen mehrere Urkunden vor, so ist ein Widerruf nur dann anzunehmen, wenn nach den Einzelumständen und freier Beweiswürdigung durch das Gericht kein Zweifel über einen Aufhebungswillen des Erblassers besteht. Die Erblasserin hatte das Testament erst 3 Monate vorher errichtet. Hätte sie das Originaltestament widerrufen wollen, so hätte es nahe gelegen, das Originalexemplar zurückzufordern und durch geeignete Handlungen, etwa Vernichtung oder Durchstreichen, ebenfalls zu widerrufen. Dies hat die Erblasserin aber gerade nicht getan. Insgesamt kann daher ein wirksamer Widerruf hier nicht festgestellt werden.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 16.8.2017 (Az.: 8 W 71/16)