Vom 3. Februar 2009
Wer einen Angehörigen pflegt, hat nicht automatisch einen Anspruch darauf, nach dem Tod des Erblassers hierfür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Auch genügt die Tatsache allein, dass Pflegeleistungen erbracht wurden, nicht, um davon auszugehen, dass eine Pflegevereinbarung zwischen Erblasser und Erbe bestanden hat. Das gilt insbesondere dann, wenn der finanzielle Wert der erbrachten Pflegeleistungen niedriger liegt als die testamentarisch vermachte Summe. Die Summe für die Pflegeleistungen muss in diesem Fall nicht als Nachlassverbindlichkeit vorab von der gesamten Erbmasse abgezogen und ausgezahlt werden. Das entschied das Landgericht Heidelberg in einem Urteil vom 3. Februar 2009 (Az: 1 O 148/07).
Ein Mann hatte gemeinsam mit seiner Familie über mehrere Jahre seinen alkoholabhängigen und seit 1999 zu 60 Prozent schwer behinderten Bruder gepflegt. Nach dessen Tod erbte der Mann zwei Drittel des Vermögens. Sein Erbe lag bei wahrscheinlich rund 93.000 Euro. Der Erbe meinte, die erbrachten Pflegeleistungen müssten nun mit knapp 70.000 Euro entlohnt werden – er legte bei seiner Rechnung als Beispiel die Vereinbarungen zwischen Pflegeversicherungen und ambulanten Pflegediensten zugrunde. Durch die Pflege sei de facto eine Pflegevereinbarung zwischen seinem Bruder und ihm entstanden. Er habe seine Ansprüche jedoch nie geltend gemacht, da er davon ausgegangen sei, dass dies im Testament berücksichtigt würde. Die Summe müsse nun vorab von der gesamten Erbmasse als so genannte Nachlassverbindlichkeit abgezogen und ihm gezahlt werden. Anschließend hätte der Kläger von dem Rest der Erbmasse gemäß Testament noch zwei Drittel geerbt. Die Richter sahen das anders: Eine konkludent abgeschlossene, also durch schlüssiges Handeln entstandene Pflegevereinbarung sei nicht erkennbar.
Überdies habe sich der Kläger selbst widersprochen, da er in einer späteren Befragung sagte, er habe kein Geld verlangt, da es sich um seinen Bruder handele. Der Verstorbene, so die Richter, habe zu Lebzeiten nicht davon ausgehen müssen, dass er mit seinem Bruder einen Dienstvertrag geschlossen habe. Darüber hinaus sei das vermachte Vermögen so hoch, dass der Kläger auf jeden Fall mehr erhalte, als er und seine Familie dem Bruder an Leistungen zukommen ließen. Mit seiner Aussage, er habe eine testamentarische Vergütung erwartet, sage der Kläger selber, dass seine Leistungen mit dem Erbe abgegolten seien. Außerdem sahen die Richter in der gelegentlichen Hilfe zweier weiterer Personen aus dem Umfeld des Verstorbenen lediglich ein „Gefälligkeitsverhältnis“. Anzunehmen, dass diese das Verhältnis als einen „Dienstvertrag“ betrachteten – wie der Kläger meinte –, vernachlässige „die naheliegende Möglichkeit, dass es Motivationen wie Freundschaft, Nachbarschaftshilfe und Nächstenliebe für ein Tätigwerden in diesem Umfang“ gebe.