Vom 25. September 2014
(dpa/red). Ist ein von Eheleuten errichtetes gemeinschaftliches Testament unwirksam, weil einer der Ehegatten bei Errichtung testierunfähig war, so kann dies unter Umständen als wirksames Einzeltestament des testierfähigen Partners aufrechterhalten werden.
Häufig errichten Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, oft in Form des sogenannten „Berliner Testaments“, also mit gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung des Überlebenden nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten und Schlusserbeneinsetzung der Kinder nach dem Tod des Überlebenden. Ob notariell oder privatschriftlich errichtet: nach dem Tod können Zweifel über die Wirksamkeit des Testamentes aufkommen. Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Demenzerkrankungen wird immer häufiger der Vorwurf der mangelnden Testierfähigkeit laut. Selbst in einem solchen Fall muss das Testament aber nicht gänzlich unwirksam sein. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München.
Die Eheleute hatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihren gemeinsamen Sohn zum Schlusserben nach dem Überlebenden von ihnen einsetzten. Der Sohn sollte wiederum aber nur Vorerbe sein; Nacherben sollten dessen Abkömmlinge werden. Außerdem bedachten und verpflichteten sich die Eheleute mit verschiedenen Vermächtnissen. Alle Verfügungen sollten wechselbezüglich, d. h. voneinander abhängig sein, der überlebende Ehegatte sollte aber berechtigt sein, eine Vermächtnisanordnung und die Erbeinsetzung des Sohnes und seiner Abkömmlinge beliebig zu ändern.
Nach dem Tod des Ehemannes beantragte der Sohn einen Teilerbschein, der ihn zu ½ neben seiner Mutter als Miterben auswies. Zur Begründung führte er an, seine Mutter sei bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes wegen fortschreitender Demenz testierunfähig gewesen, daher sei wegen Unwirksamkeit des gesamten Testamentes die gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Das OLG München ließ in der Beschwerdeinstanz letztlich offen, ob die Mutter zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes testierunfähig war. Denn selbst wenn dies zuträfe, sei das Testament in ein Einzeltestament des verstorbenen Ehemannes umzudeuten, das jedenfalls eine Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau enthalten habe.
Eine solche Umdeutung sei nicht nur dann zulässig, wenn das gemeinschaftliche Testament an formellen Mängeln leide, sondern auch dann, wenn es wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten nicht wirksam errichtet worden sei. Auch die Tatsache, dass die Verfügungen wechselbezüglich angeordnet worden seien, stehe dem nicht entgegen, solange der verstorbene Ehegatte auch in Kenntnis der unwirksamen oder fehlenden entsprechenden Verfügung des anderen überlebenden Ehegatten seine eigene Verfügung zu dessen Gunsten getroffen hätte. Denn die Regelung des § 2270 Absatz 1 BGB, nach der bei wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge habe, sei nicht zwingend. Vielmehr stehe es den testierenden Ehegatten frei, die Nichtigkeitsfolge auszuschließen, was auch durch Auslegung ermittelt werden könne. Daher konnte das Gericht die Frage, ob im Falle der Testierunfähigkeit des einen Ehegatten überhaupt eine Wechselbezüglichkeit wirksam angeordnet werden kann, offenlassen.
Das Gericht sah im vorliegenden Fall den Willen des Erblassers, seine Ehefrau in jedem Fall als Alleinerbin einzusetzen, deshalb als gegeben an, weil die Eheleute bereits seit 1952 verheiratet waren. Zudem stand das von ihnen gemeinsam bewohnte wertvolle Hausgrundstück im Alleineigentum des Ehemannes, bezüglich dessen sie mit ihrem einzigen Sohn im Mai 2008 einen Überlassungsvertrag mit Pflichtteilsverzicht abgeschlossen hatten. Schließlich ging die Initiative zur Errichtung des Testamentes vom Ehemann aus. Daher, so das OLG München, sei es dem Erblasser vor allem darum gegangen, seine Ehefrau zu versorgen und abzusichern.
Ein auf den ersten Blick unwirksames Testament muss nicht unwirksam sein. Letztlich kommt es im Erbrecht stets darauf an, dem Willen des Erblassers gerecht zu werden. Hierzu stehen verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. Daher ist es dringend anzuraten, vor Stellung kostenauslösender Anträge, wie z. B. eines Erbscheinsantrags, auch bei einer scheinbar klaren Rechtslage fachkundigen Rechtsrat einzuholen.
Oberlandesgericht München am 23. Juli 2014 (AZ: 31 Wx 204/14)