Vom 11. April 2020
(dpa/tmn). Wird die Testierfähigkeit des Erblassers bezweifelt, muss das Nachlassgericht ein Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einholen. Dies ist grundsätzlich Fachärzten für Psychiatrie vorbehalten. Die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen stellt regelmäßig einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erheblich beeinträchtigt, und damit zur Aufhebung der nachlassgerichtlichen Entscheidung führt.
Der Fall
Der verwitwete Erblasser errichtete ein notarielles Testament, in dem er seinen Sohn zum Alleinerben einsetzte. Drei Jahre später errichtete er ein weiteres, handschriftliches Testament, in dem er seine drei Kinder zu gleichen Teilen zu seinen Erben einsetzte. Der ursprünglich zum Alleinerben eingesetzte Sohn bezweifelt die Testierfähigkeit des Vaters zum Zeitpunkt der Errichtung des späteren Testaments. Das Nachlassgericht lässt ein Gutachten durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin erstellen, das zum Ergebnis kommt, eine Testierunfähigkeit des Erblassers im Errichtungszeitpunkt ließe sich nicht feststellen, und will daher einen Erbschein zugunsten aller drei Kinder erteilen. Dies greift der zum Alleinerben eingesetzte Sohn an.
Zur Feststellung der Testierunfähigkeit benötigt das Gericht sachverständige Hilfe
Mit Erfolg. Das Nachlassgericht hat für die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit auf einen Sachverständigen zurückgegriffen, der nicht über die dafür erforderliche Sachkunde verfügt. Dadurch wurde der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch das Nachlassgericht nicht hinreichend aufgeklärt. Nach § 2229 Abs. 4 BGB muss bei Zweifeln an der Testierfähigkeit die Testierunfähigkeit positiv festgestellt werden, bloße Zweifel genügen insoweit nicht. Zwar handelt es sich bei der Frage der Testierfähigkeit um eine juristische Frage, gleichwohl bedürfen die Gerichte zu ihrer Beantwortung sachverständiger Hilfe. Die Frage, ob ein Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war oder nicht, lässt sich nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten.
Sachverständige muss über entsprechende Qualifikation verfügen
Aufgrund der mit der Feststellung der Frage der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten, kommt von vornherein nur die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie in Betracht. Durch das Erfordernis des Vorliegens der entsprechenden fachärztlichen Qualifikation wird in abstrakt genereller Weise sichergestellt, dass der Sachverständige nach der ärztlichen Approbation ein mindestens 5-jähriges Weiterbildungscurriculum absolviert und durch das Bestehen der entsprechenden Facharztprüfung seine grundsätzliche Befähigung nachgewiesen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gericht den Sachverständigen für qualifiziert hält, oder dieser schon in der Vergangenheit entsprechende Gutachten errichtet hat. Verfügt der gerichtlich ausgewählte Sachverständige nicht über die erforderliche Qualifikation, ist er von vornherein nicht geeignet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Testierfähigkeit) zu beurteilen. Darüber hinaus zeigte auch das hiesige Gutachten, dass die von der Rechtsprechung geforderten Qualifikationen zu Recht gefordert werden: Der von der Rechtsprechung entwickelte 2-stufige Krankheitsbegriff bei der Begutachtung im Hinblick auf die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit taucht im Gutachten an keiner Stelle auf. Daher war die Sache unter Aufhebung des Verfahrens an das Nachlassgericht zurückzugeben.
Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 14.1.2020 (31 Wx 466/19)