Vom 15. Mai 2012
Immer wieder lässt sich beobachten, dass Menschen sehr spät daran denken, ein Testament aufzusetzen. Oftmals geschieht dies erst in hohem Alter oder etwa vor einer Operation. Nicht selten setzen Patienten direkt im Krankenhaus diese Testamente auf, mit dem Hinweis versehen „sollte mir etwas bei der Operation geschehen, erbt…“ . Verläuft die Operation gut, stellt sich später die Frage, ob dieses Testament auch noch nach der Operation gültig ist. Ist die Operation also eine Bedingung für das Testament oder ist sie lediglich Motiv oder Anlass für die Errichtung eines Testaments. Das Oberlandesgericht München hatte einen solchen Fall zu entscheiden und verfügte, dass eine bevorstehende Operation lediglich der Anlass für das Aufsetzen eines solchen Testaments ist und es auch noch danach gültig bleibt.
Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, allerdings sechs Cousins und Cousinen. Er lebte rund 40 Jahre mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Vor einer Gallensteinoperation im Jahre 1983 verfasste er im Krankenhaus ein Testament, nach dem – „sollte mir etwas zustoßen“ – seine Lebensgefährtin die aufgelisteten Vermögensgegenstände erben sollte. Der Mann verstarb allerdings erst 27 Jahre später. Die Lebensgefährtin beantragte die Ausstellung eines Erbscheins als Alleinerbin. Es ging um zwei Sparbücher und ein Baugrundstück. Die Cousinen und Cousins meinten jedoch, das Testament sei nur für den Fall verfasst, dass der Erblasser im Rahmen der Gallenoperation verstorben wäre. Das Nachlassgericht folgte der Argumentation der Cousinen und Cousins und erteilte der Lebensgefährtin keinen Erbschein.
Die Beschwerde der Frau beim Oberlandesgericht war erfolgreich. Mit dem Testament von 1983 habe ihr Lebensgefährte die Erbfolge nicht allein auf die Umstände der Operation beschränkt, sondern generell seine Lebenspartnerin als Alleinerbin eingesetzt. Dafür spreche, dass er das Testament von 1983 nicht widerrufen oder ein neues verfasst habe. Bei der Formulierung solcher Testamente sei eine Operation lediglich der Anlass für die Errichtung, nicht jedoch die Bedingung. Auch das Aufsetzen des Testaments erst im Krankenhaus lasse keinen anderen Schluss zu, sondern weise lediglich darauf hin, dass die Operation der Beweggrund für die Errichtung des Testaments sei.
Fazit: Nicht immer ist einem der Nächste auch der Liebste. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, sollte man sein Testament rechtzeitig aufsetzen und sich gegebenenfalls von einem Erbrechtsspezialisten helfen lassen. Immerhin hatte im vorliegenden Fall das Amtsgericht München in der ersten Instanz noch anders entschieden.
Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 15. Mai 2012 (AZ: 31 Wx 244/11)