Vom 21. August 2022
(dpa/tmn). Wer nicht verheiratet ist, ist nicht gesetzlicher Erbe seines Lebenspartners. Soll dieser gleichwohl erben, muss an ein Testament gedacht werden. Doch was gilt, wenn der zum Erben eingesetzte Lebenspartner wider Erwarten vor einem selbst stirbt. Erben dann die Abkömmlinge des Lebenspartners oder die nächsten Anverwandten des Erblassers? Das kommt auf den Willen des Erblassers an.
Der Fall
Ein Mann lebt über Jahrzehnte in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Zunächst führte er noch einen eigenen Haushalt, dann aber lebte er überwiegend in der Wohnung seiner Lebensgefährtin, bis er nach einem Schlaganfall 2006 komplett dort einzog und seit dem dort unentgeltlich wohnte und von ihr gepflegt wurde. 2012 verfasste er eine handschriftliche Erklärung, in der er bestimmte, sein gesamtes Geldvermögen erbe seine Lebensgefährtin, da sie ihn nach seinem Schlaganfall im Jahr 2006 liebevoll bei sich zu Hause pflegte. Hiervon müsse sie sämtliche Bestattungskosten bezahlen. Unerwartet starb die Lebensgefährtin vor ihrem Mann. Mit deren Tochter besteht weiterhin ein familiäres Vertrauensverhältnis. Er erteilt ihr umfassende Vorsorgevollmacht; sein Testament ändert er vor seinem Tod nicht mehr. Er hinterlässt im Wesentlichen Geldvermögen im Wert von 70.000,00 €. Seine einzige und nächste Anverwandte ist seine Nichte. Diese geht davon aus, seine Alleinerbin zu sein. Gegen deren Erbscheinsantrag wendet sich die Tochter seiner Lebensgefährtin.
Ergänzende Testamentsauslegung kann zu Ersatzerbenstellung der Abkömmlinge der Lebensgefährtin führen
Zu Recht, urteilt das Gericht. Die vorzunehmende ergänzende Auslegung des Testaments des Mannes aus dem Jahre 2012 ergebe, dass die Tochter seiner Lebensgefährtin an Stelle dieser seine alleinige Ersatzerbin geworden sei. Nachdem der Erblasser weder zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch zum Zeitpunkt seines Ablebens Immobiliareigentum hatte, ist davon auszugehen, dass es sich bei seinem Geldvermögen um den wesentlichen Wert seines Nachlasses handelte und er somit seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetzen wollte, da er ihr seinen wesentlichen Nachlass zugewendet hat. Deren Erbeinsetzung ist jedoch mit ihrem Tod wenige Wochen vor dem Tod des Mannes gegenstandslos geworden. Da er aber mit dieser eine eheähnliche Beziehung führte und nicht nur diese, sondern auch deren Tochter, ihn mit pflegte, zu ihm ein vertrauensvolles Verhältnis hatte und ihn wie einen Vater behandelte, ist die Tochter der Lebensgefährtin als Ersatzerbin anzusehen. Denn der klare Wille des Erblassers ging dahin, sein Vermögen demjenigen zuzuwenden, der sich um ihn gekümmert hat. Das aber war nicht seine Nichte, sondern die Tochter seiner – unerwartet vorverstorbenen – Lebensgefährtin. Hätte er damit gerechnet, dass seine Lebensgefährtin vor ihm versterben könnte, hätte er nicht die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen, sondern sein Vermögen seiner gelebten Familie hinterlassen. Damit ist der Erbscheinsantrag der Nichte zurückzuweisen, da die Tochter der Lebensgefährtin Alleinerbin des Mannes geworden ist.
Amtsgericht (AG) Bamberg, Beschluss v. 30.12.2021 (55 VI 248/21)