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Aktuelle Rechtstipps

Vom 14. Oktober 2010

Testament: „Gleichzeitiges Ableben“ nur bei zeitlich engem Zusammenhang

Bei der Testamentsgestaltung ist es häufig üblich, dass sich Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen (Berliner Testament). Manche Paare sorgen auch für den Fall vor, dass beide gleichzeitig versterben, beispielsweise bei einem Unfall. Meist wird dann ein sogenannter Schlusserbe eingesetzt. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte sich mit der Frage zu befassen, ob bei einem solchen Testament der mehrere Jahre überlebende Ehegatte an die gemeinsame Entscheidung hinsichtlich des Schlusserben gebunden ist. Er ist es nicht und kann andere Verfügungen in seinem Testament treffen, entschied das Gericht.

Im vorliegenden Fall überlebte der Mann seine Ehefrau um gut zehn Jahre. Nach dem gemeinsamen Testament von 1995 sollte der überlebende Ehegatte allein erben. Für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ sollte eine Verwandte der Frau alles erben. In einem Testament von 2002 setzte der Mann jedoch im Wesentlichen seinen Bruder als Erben ein und nicht die Verwandte der Frau. Als der Mann 2009 starb, stritten sich der Bruder und die Frau um das Erbe – es ging dabei um rund 1,2 Millionen Euro.

Das Landgericht ging davon aus, dass der Mann an die Entscheidung hinsichtlich des Schlusserben aus dem Testament von 1995 gebunden war und stellte einen Erbschein auf die Verwandte der Frau aus.

Vor dem OLG bekam der Bruder jedoch Recht. Zwar umfasse die Formulierung „gleichzeitiges Ableben“ nicht nur den unwahrscheinlichen Fall des im gleichen Sekundenbruchteil eintretenden Todes, sondern auch den Fall, dass die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraumes nacheinander sterben, so dass der Überlebende praktisch keine Möglichkeit mehr habe, ein neues Testament aufzusetzen. Im vorliegenden Fall jedoch überlebte der Mann seine Frau um mehr als zehn Jahre. Dies sei mit dem Gedanken des „gleichzeitigen Ablebens“ nicht mehr vereinbar. Es fehle an zusätzlichen Anhaltspunkten, dass die Frau auch in diesem Fall die Schlusserbenstellung hätte behalten sollen. Der überlebende Mann habe daher in seinem Testament abweichende Entscheidungen treffen können.

Wollen die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament eine Entscheidung hinsichtlich eines Schlusserben treffen, an die auch der Überlebende gebunden ist, muss dies auch entsprechend formuliert werden. Daher sollte man sich von einem Erbrechtsanwalt beraten lassen. Auf diesen Seiten finden Sie eine Anwaltssuche. Dort können Sie einen Anwalt, der Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins ist, finden.

Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Oktober 2010 (AZ: 31 Wx 84/10)