Vom 21. Juni 2016
(dpa/red). Damit ein Testament nicht verloren geht, kann der Erblasser es beim Amtsgericht in amtliche Verwahrung geben. Dabei kann der Erblasser das Testament jeder Zeit zurückverlangen. Dies hat nach dem Gesetz zur Folge, dass das Testament als widerrufen gilt. Kann es dennoch Gültigkeit haben? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf.
Die Erblasserin hinterlegt zwei notarielle Testamente zur Verwahrung beim Amtsgericht, in denen sie ihre Enkelin als Erbin und ihrer Tochter als Vermächtnisnehmerin einsetzt. Im Februar 2005 gibt das Amtsgericht die beiden Testamente der Erblasserin auf deren eigenen Wunsch zurück. Das Amtsgericht belehrt die Erblasserin dabei, dass die Testamente durch die Rückgabe als widerrufen gelten. Dies wird auch auf den Testamenten vermerkt. Die Erblasserin verfasst in den folgenden 2 Jahren noch mehrere Schreiben, die damit anfangen: “Betrifft mein Testament. Ich muss mein Testament ändern.“ Darin schränkt sie das Vermächtnis an ihre Tochter immer weiter ein. Die im notariellen Testament als Alleinerbin eingesetzte Enkelin wird in diesen Testamenten jedoch nicht mehr erwähnt. Nach dem Tod der Großmutter sieht das Nachlassgericht daher die Enkelin nicht mehr als Erbin an. Diese ficht den durch die Rücknahme vorgenommenen Widerruf der notariellen Testamente an. Sie begründet dies damit, dass der Großmutter es nicht bekannt gewesen sei, dass die Testamente durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gelten. Dem folgte das Nachlassgericht nicht, weil die Erblasserin sich nicht über die Rechtsfolgen nach dem schriftlichen Hinweis des verwahrenden Gerichts geirrt haben könne, sodass das OLG entscheiden musste.
Das OLG Düsseldorf gab der Enkelin recht: Die Rücknahme eines notariellen Testaments ist grundsätzlich anfechtbar, wenn die Erblasserin sich bei der Rücknahme über die Rechtswirkungen dieser Rücknahme geirrt hat. Die Belehrungen des Amtsgerichts bei der Rücknahme der Testamente sind zwar „schwerlich misszuverstehen“, aber dennoch kann ein Irrtum hierüber nicht von vorneherein und regelmäßig ohne nähere Prüfung ausgeschlossen werden, insbesondere dann nicht, wenn der Erblasser ersichtlich nicht rechtskundig war. Der Umstand, dass die Erblasserin kurze Zeit nach der Rücknahme der notariellen Testamente aus der amtlichen Verwahrung mehrmals ausdrücklich verfügt hat, sie müsse ihr Testament ändern, sie sei nicht mehr in der Lage, ihrer Tochter das versprochene Geld zu vermachen, zeigt nicht nur, dass sie offenbar insoweit in großer Sorge und es ihr wichtig war, dies eindeutig zu regeln. Daraus folgt zugleich, dass die Erblasserin sich gerade nicht über die Wirkungen der Rücknahme der Testamente aus der amtlichen Verwahrung im Klaren war. Denn hätte sie verstanden bzw. gewusst, dass die Rücknahme den Widerruf dieser Testamente bewirkt hatte und die Testamente daher bereits sofort und endgültig wirkungslos geworden waren, wäre es nicht mehr erforderlich gewesen, das Geldvermächtnis für die Tochter – sozusagen erneut – zu widerrufen.
Oberlandesgericht Düsseldorf am 23. Dezember 2015 (AZ: I-3 Wx 285/14)