Vom 12. September 2011
Immer wieder geschieht es, dass ein Testament spurlos verschwindet. An den Nachweis seiner Existenz werden hohe Anforderungen gestellt, möglich ist er aber bisweilen. Der Erblasser war Vater zweier Söhne aus früheren Ehen. Nach seinem Tod beantragte seine Lebensgefährtin einen Erbschein, wonach sie Alleinerbin des Verstorbenen sein sollte.
Ein entsprechendes Testament lag allerdings nicht vor. Die Frau erklärte, der Verstorbene habe sie durch eine handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung zu seiner alleinigen Erbin bestimmt. Er habe das Testament selbst geschrieben und anschließend ein Informationsgespräch darüber mit einem Notar geführt. Auch die beiden Söhne beantragten einen Erbschein. Das Amtsgericht wies den Antrag der Lebensgefährtin zurück. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie Erbin des Erblassers sei. Es sei nicht mit Sicherheit festzustellen, dass ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit dem beantragten Inhalt jemals formgültig bestanden habe. Gegen die Entscheidung legte die Frau mit Erfolg Beschwerde ein. Wer sich auf ein verschwundenes Testament berufe, müsse die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen, so die Richter.
An den Nachweis seien hohe Anforderungen zu stellen, die im vorliegenden Fall allerdings auch erfüllt seien. Hierfür spreche vor allem die Tatsache, dass ein Fachmann, nämlich der Notar, dieses Testament nach Vorlage durch den Erblasser gesehen und darüber mit ihm gesprochen habe. Der Notar habe über Existenz und Inhalt des Testaments eine glaubhafte Aussage machen können. Die Richter wiesen darauf hin, dass grundsätzlich der gesamte Inhalt eines letzten Willens feststehen müsse, wenn Rechte aus ihm hergeleitet werden sollten. Ist nur ein Teil des Inhalts festzustellen, folge daraus meistens, dass Inhalt und Umfang der Verfügung insgesamt unbestimmt blieben.
Das gelte auch dann, wenn feststehe, dass der Erblasser eine bestimmte Person zum Alleinerben eingesetzt habe. Ohne Kenntnis der weiteren Verfügungen – etwa Vermächtnisanordnungen – sei nicht zu ermitteln, wie der Erblasser seinen Nachlass wirtschaftlich habe aufteilen wollen. Eine Ausnahme sei allerdings dann gegeben, wenn zu erkennen sei, dass der bekannte Testamentsteil Bestand haben solle und in seinem Umfang durch die Unbestimmtheit der unbekannten Teile nicht wesentlich berührt werde.
Beschluss des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein vom 12. September 2011 (AZ: 3 Wx 44/10)