Vom 9. Juni 2021
(dpa/tmn) Wer als nächster Angehöriger enterbt ist, hat Anspruch auf den Pflichtteil. Er kann also verlangen in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils ausbezahlt zu werden. Um den Anspruch berechnen zu können, muss er den Nachlasswert kennen. Um dies in Erfahrung zu bringen, kann er vom Erben Auskunft über die Nachlassgegenstände und Verbindlichkeiten verlangen. Das Gesetz sieht vor, dass der Erbe ein entsprechendes Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufzunehmen lassen muss, wenn der Pflichtteilsberechtigte dies verlangt. Doch welchen Mehrwert hat das? Einen ganz erheblichen, da der Notar nicht nur die Angaben des Erben beurkunden, sondern eigene Ermittlungen anstellen muss.
Der Fall
Die Tochter verlangt von ihrem Bruder Auskunft über den Nachlass der gemeinsamen verstorbenen Mutter. Die Mutter hatte den Bruder zum Alleinerben eingesetzt. Die Tochter verlangt, dass das Verzeichnis durch einen Notar erstellt wird. Der vom Bruder beauftragte Notar erstellte daraufhin ein „notarielles Nachlassverzeichnis“, in dem niedergelegt wurde, welche Angaben der Bruder zum Nachlass der Erblasserin zum Zeitpunkt des Todes machte. Danach hat der Bruder nach seinen Angaben drei Jahre vor dem Tod der Mutter eine Schenkung in Höhe von 50.000 € erhalten. Außerdem heißt es, weitere Guthaben und Konten als die angegebenen seien nach Angaben des Bruders nicht vorhanden. Die Tochter hält es nicht für ausreichend, dass der Notar nur die Angaben des Bruders beurkundet. Sie meint, der Notar müsse eigene Recherchen anstellen.
Notar muss selbst ermitteln
Zu Recht, urteilen die Richter. Denn das notarielle Nachlassverzeichnis soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist es erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterungen des Erben protokolliert und beurkundet. Es geht daher nicht um die Beurkundung einer Erklärung des Bruders, sondern um einen Bericht über eigene Wahrnehmungen des Notars. Der Notar muss die Ermittlungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage der Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde. Hierzu muss er auch das Wissen des Erben nutzen und diesen auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten und sonstigen Dritten durchzusetzen. Dabei kann der Notar im Einzelfall auch zur Durchsicht von Kontounterlagen verpflichtet sein, wenn sich Anhaltspunkte für Schenkungen ergeben.
Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschl. v. 25.3.2021 (6 U 74/20)