Seite drucken

Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 25. November 2016

Widerruf eines Testamentes durch eine E-Mail oder einen Dritten?

(dpa/red). So wie die wirksame Errichtung eines Testamentes von Formvorschriften abhängig ist, ist auch der Widerruf eines Testamentes von diesen abhängig. Das Kammergericht Berlin entschied, dass eine E-Mail mit dem Inhalt, nichts weiter zu vererben zu haben, nicht die Anforderungen an ein eigenhändiges Testament erfüllt und auch keine Widerrufserklärung erkennen lässt. Ob sich der Erblasser für den Widerruf eines Testaments durch Vernichtung durch einen Dritten als unselbständiges Werkzeug bedienen kann, kommt es nicht an, wenn sich nicht feststellen lässt, dass der Dritte überhaupt Änderungen am Testament vorgenommen hat. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin.

                                                

Der Fall

Der Erblasser verfasst im Januar 2010 ein handschriftliches Testament, welches im März 2011 durch ein neues handschriftliches Testament ersetzt wird. Dem durch beide Testamente eingesetzten Testamentsvollstrecker teilt der Erblasser 2012 telefonisch mit, dieser solle das Testament vernichten, da er zu diesem Zeitpunkt alle seine Immobilien bis auf eine veräußert habe. Der Testamentsvollstrecker vernichtet daraufhin das Testament vom Januar 2010, weil er von dem Testament vom März 2011 nichts weiß. In einer E-Mail im November 2013 schreibt der Erblasser dem Testamentsvollstrecker, dass er nun auch seine letzte Wohnung überschrieben habe, er weiter nichts mehr zu vererben habe und er daher hinsichtlich der verbliebenen Gegenstände von gesetzlicher Erbfolge ausgehe.

 

Wann liegt ein Widerruf eines Testamentes vor?

Das Kammergericht hat entschieden, dass das Testament vom März 2011 immer noch wirksam ist: Ein Testament kann durch ein neues Testament aber auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt wird.

 

Eine E-Mail ist kein Testament und ein nicht bekanntes Testament kann man verändern

Die E-Mail des Erblassers vom November 2013 erfüllt zum einen nicht die Anforderungen an ein neues eigenhändiges Testament. Eine E-Mail ist kein eigenhändig geschriebenes Dokument, weil die Unterschrift vom Verfasser nicht selbst geschrieben ist. Die E-Mail lässt zum anderen auch inhaltlich keine Widerrufserklärung erkennen. Denn der Erblasser hat den Testamentsvollstrecker bereits im Jahr 2012 angewiesen, das bei ihm verwahrte Testament zu vernichten. Ob eine wirksame Vernichtung eines Testamentes zu Lebzeiten des Erblassers auch in der Weise geschehen kann, dass dieser sich eines Dritten als eines unselbstständigen Werkzeuges bedient, der in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Urkunde vernichtet – dem Dritten darf dabei kein Entschluss- und Handlungsspielraum verbleiben – ist umstritten. Das KG musste hierzu nicht Stellung beziehen. Denn aus der Beschwerdebegründung und dem Akteninhalt lässt sich allenfalls der Wille des Erblassers erkennen, dass er wegen zwischenzeitlicher Vermögensübertragungen zu Lebzeiten auch das Testament vom März 2011 nicht mehr aufrechterhalten wollte. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Testamentsvollstrecker die Urkunde körperlich verändert und auf diese Weise vernichtet hat. Er hat vielmehr glaubhaft bekundet, dass er das hier in Rede stehende Testament nicht in seinem Besitz hatte. Damit kann er es nicht auf Geheiß des Erblassers vernichtet haben. Daher war dieses Testament noch wirksam.

 

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15. April 2016 (AZ: 6 W 64/15)