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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 1. September 2016

Wie ist ein vor der Hochzeit errichtetes Testament zu bewerten?

(dpa/red). Was wird aus einem Testament, wenn neue Lebensverhältnisse eigentlich zu einer anderen gesetzlichen Erbfolge führen würden? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin.

 

Der Fall

Der Erblasser errichtet 2005 ein Testament, in welchem er seine Tochter zur Alleinerbin einsetzt. Einige Jahre später heiratet er, ohne das Testament vor seinem Tod zu ändern. Vielmehr macht er sich nach der Hochzeit zusammen mit seiner Tochter und schriftlich Gedanken, was mit seinen verschiedenen Immobilien nach seinem Tod passieren soll. Die Ehefrau ficht das Testament an, sieht sich als Miterbin neben der Tochter des Erblassers und klagt ihre Erbenstellung ein.

 

Er hätte sein Testament nicht geändert

Das KG weist ihre Klage zurück, da nach dessen Ansicht anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung zugunsten seiner Tochter auch nach der Eheschließung getroffen haben würde. Diese Überzeugung gewinnt der Senat daraus, dass der Erblasser, obwohl er sich mit der Möglichkeit seines Todes beschäftigt, in Kenntnis der Umstände der ohne Testament gesetzlichen Miterbenstellung der Ehefrau gleichwohl kein neues Testament abfasste. Vielmehr stellte er zusätzlich Überlegungen zu seinen Immobilien an, die er nur mit seiner Tochter absprach, ohne seine Ehefrau in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Umsetzung seines Willens zu verpflichten.

 

Der Wille des Erblassers, an seinem Testament mit Einsetzung seiner Tochter als Alleinerbin festzuhalten, tritt nach Ansicht des KG insbesondere bei den von ihm schriftlich niedergelegten Gedanken zur Zukunft eines anderen Hauses hervor. Diese Überlegungen sind unstreitig nicht nur abstrakte Überlegungen geblieben, vielmehr sind sie insoweit umgesetzt worden, als der Erblasser seiner Schwester deren Miteigentumsanteil an dem Grundstück abgekauft hat. Die weitere Umsetzung seiner Überlegungen hing von einer entsprechenden Bereitschaft seiner Erben ab. Dass der Erblasser allein eine Absprache mit seiner Tochter für angezeigt hielt, um seine Überlegungen umzusetzen, belegt erstens seinen Willen, sie weiterhin als seine Alleinerbin einzusetzen, mithin am Testament festzuhalten, und zeigt zweitens sein Vertrauen in seine Tochter, dass sie seine Überlegungen nach seinem Tod umsetzen würde. Dass er bei der Abfassung seiner Überlegungen sein Ableben berücksichtigte, wird im Text hinreichend angesprochen, auch wenn der Erblasser dies nicht ausdrücklich ausspricht. Die Beschäftigung dem wirtschaftlichen Unvermögen seiner Geschwister sowie seiner Tochter dazu, ohne die Ehefrau in diesem Zusammenhang in seine Überlegungen einzubeziehen, lässt erkennen, dass er sie nicht in den Kreis seiner nächsten Familienangehörigen einordnete, die für den Erhalt des Hauses als Familiensitz sorgen sollten. Hätte der Erblasser seine Ehefrau dagegen als Miterbin einsetzen wollen, wäre demgegenüber nach den Umständen zu erwarten gewesen, dass er in diesem Fall Absprachen auch mit ihr getroffen hätte.

 

Kammergericht Berlin am 10. November 2015 (AZ: 6 W 54/15)