Vom 30. Juni 2014
(red/dpa). Hinterbliebene haben umfangreiche Ansprüche. Es geht hier nicht nur um das Erbe, sondern auch um weitere Versorgungsleistungen, wie etwa Sterbegeld oder die Hinterbliebenenrente. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einer für das Erbrecht und das Sozialrecht wichtigen Entscheidung festgestellt, dass bei einer Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch der Anspruch auf Sterbegeld und Witwenrente nicht entfällt. Damit ist nun klar, dass die Umsetzung einer Patientenverfügung bei einem zuvor erlittenen Arbeitsunfall kein Ausschluss der Hinterbliebenenleistungen herbeiführt, erklären die Erbrechtsanwältinnen und Erbrechtsanwälte.
Der Erblasser war als Betreuer für Komapatienten verantwortlich. Als er von seiner Arbeitsstelle mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, wurde er von einem Motorrad erfasst. Er schlug mit dem Kopf ohne Helm auf dem Bordstein auf. Infolgedessen befand er sich seit 2006 in einem Wachkoma und war vollständig auf Pflege angewiesen. Die Ernährung erfolgte über eine Magensonde. Etwa vier Jahre danach stellten die Ärzte fest, dass eine Besserung seines Gesundheitszustandes nicht zu erwarten sei. Seine Ehefrau kam mit dem volljährigen Sohn überein, die Versorgung über die Magensonde zu beenden. Sie erklärten, dass das Unfallopfer mündlich wiederholt klar geäußert habe, niemals durch lebensverlängernde Maßnahmen weiterleben zu wollen. Eine schriftliche Patientenverfügung lag nicht vor. Acht Tage nach Einstellung der künstlichen Ernährung verstarb der Patient. Die Witwe beantragte die Gewährung von Hinterbliebenenrente und Sterbegeld. Die Behörde lehnte dies ab, da ein Ursachenzusammenhang zwischen den Unfallfolgen und dem Tod des Versicherten nicht feststellbar sei. Der Tod sei durch Unterernährung eingetreten.
Vor Gericht konnte sich die Ehefrau jedoch durchsetzen. Es sei unzweifelhaft, dass der Verkehrsunfall ein Arbeitsunfall gewesen sei. Es sei nur noch zu entscheiden, ob der Tod eine Folge des Arbeitsunfalls sei. Dies bejahte das Gericht: Der Fahrradunfall war die wesentliche Ursache für das Wachkoma und dieses wiederum für den Tod des Mannes. Er habe derart schwere Verletzungen davongetragen, dass der Todeseintritt durch die Sofortbehandlung und die unmittelbar danach beginnende ununterbrochene intensive Pflege letztlich nur habe aufgeschoben werden können. Vier Jahre nach dem Unfall sei nach Ansicht der Ärzte eine Erholung ausgeschlossen gewesen. Daher sei der Tod letztendlich schon nach dem Unterlassen der künstlichen Ernährung eingetreten. Der Wegfall der künstlichen Ernährung „ebnete dem nach dem Unfall natürlichen Sterbeprozess letztlich nur wieder den Weg“, so das Gericht. Die Durchtrennung der Magensonde ändere nichts daran, dass der Unfall die wesentliche Todesursache sei.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 7. November 2013 (AZ: L 3 U 36/12)