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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 6. Juni 2018

Zugang des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testamentes erst nach dem Tod des Widerrufenden

(dpa/tmn). Ein gemeinschaftliches wechselseitiges Testament zwischen Ehegatten gilt, solange niemand der Verfügenden das Testament widerruft. Stirbt einer der Verfügenden, kann das Testament nicht mehr vom anderen widerrufen werden. Ein vor dem Tod notariell beurkundeter Widerruf kann auch dann noch wirksam sein, wenn dieser alsbald nach dem Tod des Widerrufenden dem anderen Ehegatten zugestellt wird

Der Fall

Die Eheleute errichten ein privatschriftliches gemeinschaftliches wechselseitiges Testament. Die Erblasserin widerruft das Testament mit notarieller Urkunde und weißt den Notar an, den Widerruf dem Ehemann zustellen zu lassen. Bevor der Widerruf dem Ehemann zugestellt werden kann, stirbt allerdings die Ehefrau. Der Ehemann ist der Ansicht, dass er dennoch gemäß dem gemeinschaftlichen Testament Erbe geworden ist.

Die Zustellung muss beauftragt sein und alsbald erfolgen

Das OLG Oldenburg entscheidet, dass der Widerruf wirksam geworden ist, obgleich er dem Ehemann erst nach dem Tode der Ehefrau zugegangen ist. Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt. Voraussetzung ist, dass der Erklärende alles getan hat, was von seiner Seite geschehen muss, damit die Erklärung dem anderen Teil zugeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll es darüber hinaus erforderlich sein, dass der Zugang der Willenserklärung alsbald nach dem Erbfall erfolgt, weil ein Interesse des Rechtsverkehrs daran besteht, Erbrechtsverhältnisse sicher beurteilen zu können und sie nicht auf unbestimmte Zeit auf schwankendem Boden stehen zu lassen. Dies gebietet auch der Vertrauensschutz für den überlebenden Ehegatten, der durch den Widerruf einseitig belastete wird, weil er seinerseits nach dem Tode des Erstversterbenden nicht mehr anderweitig testieren kann. Eine solche einseitige Belastung des überlebenden Ehegatten muss hingenommen werden, wenn der Widerruf dem überlebenden Ehegatten alsbald nach dem Erbfall zu einem Zeitpunkt zugestellt wird, zu dem unter normalen Umständen mit einer Zustellung noch gerechnet werden kann. Die Ehefrau weißt den Notar an, dem Beschwerdeführer ihre Widerrufserklärung zuzustellen. Sie hat damit alles von ihrer Seite her Erforderliche getan. Der Notar bewirkt die Zustellung der Widerruferklärung gegenüber dem Ehemann binnen 12 Tage und damit „alsbald“ nach dem Tode der Ehefrau. Es handelt sich um einen zeitlichen Abstand, innerhalb dessen der Ehemann angesichts normaler Bearbeitungszeiten im Notariat und im Gericht noch damit rechnen muss, dass eine lebzeitig abgegebene notarielle Willenserklärung der Ehefrau ihm noch zugestellt werden könnte.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 19.12.2017 (3 W 112/17)