Vom 9. Dezember 2016
(dpa/red). Legt der Altersunterschied zwischen Erblasser und dem zu dessen gesetzlichen Erben berufenen minderjährigen Kind nahe, dass das Kind seine Erbenstellung infolge der Ausschlagung vorrangig berufener Erben erlangt haben könnte, so darf das Familiengericht die Genehmigung für die vom gesetzlichen Vertreter für das Kind wegen mutmaßlicher Überschuldung des Nachlasses abgegebene Ausschlagungserklärung nicht ohne Heranziehung der Nachlassakten und ohne weitere Ermittlungen zu den Gründen erfolgter Erbenausschlagung versagen. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken.
Die allein sorgeberechtigte Kindesmutter schlägt als gesetzliche Vertreterin die Erbschaft für das Kind aus, nachdem dieses Erbe nach der Urgroßmutter ist. Zudem beantragt sie hierfür die familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung. Das Familiengericht versagt nach Einholung schriftlicher Auskünfte vom zuständigen Nachlass-, Vollstreckungs- und Insolvenzgericht sowie vom Sozial- und Grundbuchamt die beantragte Genehmigung. Nach dessen Ansicht ist eine Überschuldung des Nachlasses nicht festzustellen: Die Erblasserin hat weder Sozialleistungen erhalten noch ist sie im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Sie hinterlässt vielmehr eine Mitbeteiligung an lastenfreiem Grundbesitz. Die Mutter argumentiert dagegen, dass der Nachlass derzeit nicht betragsmäßig zu beziffern ist. Es ist lediglich ein Anwesen vorhanden, welches jedoch baufällig ist und grundsaniert werden muss, so dass dem Nachlass kein objektiver Wert zugemessen werden kann. Die Erbschaft ist deshalb nicht wirtschaftlich vorteilhaft.
Das OLG Zweibrücken folgt der Ansicht der Mutter: Das Familiengericht ist verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und hierbei sämtliche Umstände zu ermitteln, die ihm eine Prüfung und Gesamtwürdigung der entscheidungserheblichen Umstände ermöglichen. Werden Ermittlungen nicht durchgeführt, zu denen im konkreten Einzelfall Anlass bestanden hätte, ist die richterliche Aufklärungspflicht verletzt. Eine Erbausschlagung des allein sorgeberechtigten Elternteils für sein minderjähriges Kind ist zu genehmigen, wenn sie unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die Genehmigungsfähigkeit der Ausschlagung hängt in erster Linie, wenn auch nicht allein von den wirtschaftlichen Interessen des Kindes ab, also vom Bestand des Nachlasses. Sofern ein Nachlass nicht überschuldet ist, wird regelmäßig kein hinreichender Grund für die Erteilung der Genehmigung der Ausschlagung bestehen.
Das OLG führt aus, dass angesichts des großen Altersunterschieds zwischen der Erblasserin und dem zum gesetzlichen Erben berufenen Antragsteller sich für das Familiengericht aufdrängen musste, dass der Antragsteller diese Erbenstellung nicht unmittelbar von der Erblasserin erlangt haben kann, sondern dass dies deshalb erfolgt sein könnte, weil vorrangig berufene Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben. Tatsächlich hat nicht nur sein Großvater als Sohn der Erblasserin, sondern auch sein Vater und eine Vielzahl von weiteren Verwandten die Erbschaft ausgeschlagen. Selbst der minderjährige Halbbruder des Antragstellers hat die Erbschaft ausgeschlagen; die auch insoweit erforderliche familiengerichtliche Genehmigung ist erfolgt. Das Familiengericht wird deshalb bei diesen Personen, insbesondere beim Kindesvater und dessen Vater nach den Gründen der erfolgten Erbausschlagung nachfragen müssen. Gegebenenfalls wird es des Weiteren dem Einwand des Antragstellers nachzugehen haben, das Anwesen sei baufällig und grundsanierungsbedürftig. Angesichts der gerichtsbekannt niedrigen Verkehrswerte von Immobilien in ländlichen strukturschwachen Gebieten könnte sich daraus ergeben, dass die Immobilie trotz Lastenfreiheit nicht werthaltig ist, sodass die Erbausschlagung trotz des vorhandenen Grundbesitzes dem Kindeswohl dient und deshalb familiengerichtlich zu genehmigen ist.
Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 21. Juli 2016 (AZ: 2 WF 81/16).