Vom 7. Dezember 2010
Ein Amtsträger, der nicht berechtigt ist, ein notarielles Testament zu errichten, handelt pflichtwidrig, wenn er den Anschein erweckt, er habe eine Prüfung vorgenommen und die Testamentserrichtung sei in Ordnung. Das gilt auch dann, wenn er zuvor darauf hingewiesen hat, dass er nicht befugt sei, ein Testament zu beurkunden.
Ein Ehepaar hatte über viele Jahre eine Wohnung vermietet. Der Mieter wollte zu Gunsten der Eheleute ein Testament errichten. Der Ehemann setzte deshalb im Sommer 2006 handschriftlich den Text des Testaments ohne Datum und Beglaubigungsvermerk auf. Das Testament bestimmte das Ehepaar zu Alleinerben. Gemeinsam mit seinem Mieter begab sich der Ehemann in das Rathaus zum Ortsvorsteher.
Der Ortsvorsteher wies zwar darauf hin, dass er kein notarielles Testament errichten könne, und auch nicht befugt sei, das Dienstsiegel auf das Testament zu setzen. Anschließend ging er jedoch mit beiden den Text durch und fragte anschließend den Erblasser, ob es so in Ordnung sei. Das bestätigte dieser und änderte lediglich die im Testament aufgeführten unzutreffenden Daten. Anschließend unterschrieb er das Testament. Der Ortsvorsteher bestätigte die Unterschrift und verschloss dann auf eigenen Vorschlag den Umschlag mit dem Dienstsiegel. Er forderte den Erblasser auf, das Testament gut auffindbar zu hinterlegen, und wies ihn darauf hin, dass er das Testament jederzeit ändern könne.
Nach dem Tode des Erblassers Anfang 2008 stellte das Nachlassgericht die Ungültigkeit des Testamentes fest. Ein eigenhändiges Testament muss nämlich eine vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung enthalten. Die Frau des inzwischen ebenfalls verstorbenen Vermieters klagte daraufhin gegen die Stadt auf Schadensersatz in Höhe von rund 102.000 Euro.
Das Landgericht gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung der beklagten Stadt blieb ohne Erfolg. Der Ortsvorsteher habe seine Amtspflichten verletzt, so die Richter. Er habe nicht nur die Echtheit der Unterschrift bestätigt, sondern weitere umfassende Tätigkeiten entfaltet. Spätestens mit der Versiegelung des Umschlags habe seine Tätigkeit einen dienstlichen Charakter angenommen. Das missverständliche Verhalten sei geeignet gewesen, bei den Anwesenden den Eindruck zu erwecken, dass in dieser Angelegenheit alles Notwendige geregelt, das Testament also rechtlich gültig sei. Der Ortsvorsteher als Beamter hätte gar nicht erst aktiv werden sollen oder aber den Erblasser zumindest deutlich darauf hinweisen müssen, dass mit seinem Tun keine Gewähr für die Rechtskraft des Testaments verbunden sei. Außerdem hätte er zumindest nachfragen müssen, wie das Testament eigentlich entstanden sei. Er habe zwar nicht gewusst, dass das Testament nicht vom Erblasser, sondern vom Ehemann der Klägerin geschrieben worden sei, der Unterschied in den Schriften sei ihm jedoch aufgefallen.
Der Ortsvorsteher habe darüber hinaus fahrlässig gehandelt. Er hätte erkennen können, dass sein Verhalten missverständlich sein könnte. Der dadurch entstandene Schaden bestehe im Verlust des Erbrechts. Die Richter gingen von einem Mitverschulden der Klägerin und ihres Ehemannes in Höhe von zusammen 25 Prozent aus: Es müsste eigentlich auch einem Laien bekannt sein, dass ein Testament eigenhändig verfasst werden müsse.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 07. Dezember 2010 (Az: 12 U 102/10)