Vom 9. August 2011
Ein pflichtteilsberechtigter Erbe hat ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, welchen Umfang der Nachlass hat und damit auch, wie hoch sein Pflichtteilsanspruch ist. Sein Recht auf Akteneinsicht umfasst auch die Nachlassaufstellung.
Die Verstorbene hatte zwei Söhne. Den einen der beiden setzte sie zum Alleinerben ein. Nach ihrem Tod beantragte der pflichtteilberechtigte andere Sohn Einsicht in die Nachlassakte. Das Nachlassgericht bewilligte dies, nahm jedoch das Nachlassverzeichnis dabei ausdrücklich von der Akteneinsicht aus.
Das Oberlandesgericht entschied jedoch anders. Der Sohn habe ein Recht auf Akteneinsicht einschließlich der Nachlassaufstellung. Er habe als Pflichtteilsberechtigter ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, welchen Umfang der Nachlass habe und wie hoch dementsprechend sein Pflichtteilsanspruch sei. Diese Informationen könnten sein Vorgehen gegen den Bruder, der als Alleinerbe der Pflichtteilsschuldner sei, beeinflussen. Dass die Nachlassaufstellung zu einem anderen Zweck, nämlich der Ermittlung des Geschäftswertes, vom Nachlassgericht verlangt und vom Erben erstellt worden sei, stehe einem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen.
An dem Einsichtsrecht ändere auch die Tatsache nichts, dass der Sohn andere Möglichkeiten habe, sich die gewünschten Informationen zu verschaffen, etwa durch den direkten Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben. Sein berechtigtes Interesse werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass er die Informationen auch auf andere Weise erhalten könne.
Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 09. August 2011 (AZ: 6 W 206/11)