Vom 4. November 2017
Geben mit warmer Hand – so manch künftiger Erblasser stellt Überlegungen an, ob er schon zu Lebzeiten Vermögen auf seine künftigen Erben übertragen soll. Dafür spielen unterschiedliche Erwägungen eine Rolle. Vielfach steht der Wunsch im Vordergrund, Regressansprüchen des Staates vorzubeugen. Für den eigenen Pflegefall soll das Haus geschützt sein. Andere, insbesondere schon Betagtere, möchten einfach „alles schon geregelt haben.“ Sie wollen Belastungen, die insbesondere Immobilienvermögen mit sich bringen kann, noch zu Lebzeiten auf ihre künftigen Erben abwälzen. Für wieder andere spielen steuerliche Gründe eine Rolle. „Egal, welches Motiv im Vordergrund steht, sollten lebzeitige Übertragungen in jedem Fall gut überlegt sein“, rät Dr. Heinz-Willi Kamps, Mitglied der AG Erbrecht im Deutschen Anwaltverein. „Besteht das Vermögen lediglich aus einem schuldenfreien Einfamilienhaus, sollte im Zweifel von einer lebzeitigen Schenkung abgesehen werden. Ratsam ist, sich zumindest ein lebenslanges Nutzungsrecht an dem Haus vorzubehalten.“
Es ist im Übrigen ein weit verbreiteter Irrglaube, dass eine Schenkung zu Lebzeiten Regressansprüche des Sozialhilfeträgers komplett aushebelt. Beispiel: Ein Ehepaar überträgt seinem Sohn das private Einfamilienhaus. Zehn Jahre später wird der Ehemann pflegebedürftig und muss in ein Heim umziehen. Das Einkommen der Ehepartner reicht nicht aus, um die hohen Heimkosten zu decken. In diesem Fall ist die Zehn-Jahres-Frist, innerhalb derer der Sozialhilfeträger Schenkungen rückgängig machen kann, zwar abgelaufen. Der Sohn ist gegenüber seinem Vater jedoch unterhaltspflichtig. Also wird er aufgefordert, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen. Zu seinem Vermögen gehört dann natürlich auch das von seinen Eltern übertragene Haus. Selbst wenn er darin mit Familie wohnt und es zum Schonvermögen zählen sollte, erhöht sich durch wegfallende Miete das Monats-Nettoeinkommen in der Familie – und die Unterhaltsverpflichtung steigt. Auch lebzeitige Übertragungen außerhalb der 10-Jahres-Frist sind also keine Garantie, um den Sozialhilferegress zu verhindern.
Vorteile bieten Schenkungen als vorweg genommene Erbfolge hingegen bei der Erbschaftsteuer. Der Grund: Alle zehn Jahre leben die persönlichen Freibeträge erneut auf. Für den Ehepartner liegt der Freibetrag bei 500.000 €, für jedes Kind bei 400.000 Euro. Wer also zu Lebzeiten Vermögen im Wert von 400.000 Euro an sein Kind verschenkt und zehn Jahre später weiteres Vermögen im Wert von 400.000 Euro vererbt, hat insgesamt 800.000 Euro Vermögenswerte steuerfrei übertragen. Ohne die lebzeitige Schenkung hätte das Kind im Erbfall nach Abzug des Freibetrags 400.000 Euro Vermögen versteuern müssen, in der Steuerklasse I mit einem Steuersatz von 15 Prozent. Durch die rechtzeitige lebzeitige Schenkung spart das Kind 60.000 Euro Erbschaftsteuer.
Was die Überlegung künftiger Erblasser, alles schon zu Lebzeiten geregelt haben zu wollen angeht, ein Rat: Mit einem eindeutigen Testament und klaren Regelungen zur Nachlassteilung können Sie sicherstellen, dass Ihre künftigen Erben Ihr Vermögen wie von Ihnen vorgesehen nach Ihrem Tod unter sich aufteilen. Der Vorteil: Sie bleiben bis zuletzt der Herr bzw. die Frau im eigenen Haus.
Tipp: Am besten ist es, sich bei einem erfahrenen Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Erbrecht beraten zu lassen. Einen Experten in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltsuche.