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Aktuelle Rechtstipps

Vom 5. Oktober 2018

Wann darf die Bank einen Erbschein fordern?

Unkenntnis, Unsicherheit, Angst vor Haftungsfolgen – Banken und Sparkassen fordern im Todesfall eines Kontoinhabers nach wie vor häufig die Vorlage eines Erbscheins, obwohl sie das nicht dürfen. „Damit erschweren und verzögern sie Abwicklung des Nachlasses und verursachen den Erben unnötige Kosten“, kritisiert Dr. Stephanie Herzog, Fachanwältin für Erbrecht in Würselen und Mitglied der AG Erbrecht im Deutschen Anwaltverein. „Nur wenn die Erbenstellung zweifelhaft ist, darf die Bank auf Vorlage eines Erbscheins pochen.“

Bereits 2013 hat der Bundesgerichtshof eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse für unwirksam erklärt, nach der das Institut Verfügungen über Nachlasskonten generell von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen wollte. „Nur in begründeten Zweifelsfällen dürfen die Kreditinstitute nach dieser Rechtsprechung einen Erbschein fordern“, erklärt Herzog.

Gesetzliche Erbfolge

Hat der Kontoinhaber kein Testament gemacht, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben neben dem Ehepartner des Erblassers seine Kinder. Hat er keine Kinder, treten seine Eltern bzw. für den Fall, dass sie bereits verstorben sind, seine Geschwister bzw. Nichten und Neffen an deren Stelle. „Bei gesetzlicher Erbfolge müssen die Erben zunächst festgestellt werden. Daher dürfen die Banken in diesem Fall die Vorlage eines Erbscheins fordern“, so Herzog.

Handschriftliches Testament

Hat der Erblasser sein Testament selbst oder zusammen mit seinem Ehepartner verfasst, muss die Bank die Konten des Erblassers frei geben, wenn aus dem Testament die Erben eindeutig hervorgehen und auch keine Zweifel an der Wirksamkeit bestehen. Die Bank darf die Erben nicht pauschal mit der Begründung abweisen, dass ein handschriftliches Testament immer gefälscht sein könnte. Tut sie das, muss sie den Erben die unnötigen Kosten für ein Erbscheinsverfahrens ersetzen. Dies hat der Bundesgerichtshof im April 2016 entschieden (BGH, Az.: XI ZR 440/15). „Trotzdem passiert es immer noch, dass die Banken sich quer stellen und erst mit anwaltlicher Unterstützung die Konten frei geben“, erklärt Rechtsanwältin Herzog.

Notarielles Testament

Den Fälschungsvorwurf können die Banken bei einem Testament, das der Erblasser vor einem Notar errichtet hat, nicht ins Feld führen. Aber auch ein notarielles Testament ist keine Garantie, dass bei der Bank alles problemlos für die Erben abläuft und sie schnell an das Geld kommen. Beispiel: Der Erblasser hat mit seiner Ehefrau ein notarielles Testament gemacht und darin festgelegt, dass die Einsetzung der Schlusserben nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr geändert werden darf. Trotzdem geht der überlebende Partner hin, schreibt nach dem Tod seines Ehepartners ein neues Testament und setzt darin eine andere Person zu seinen Erben ein. „Das ist eindeutig unwirksam“, erklärt Rechtsanwältin Herzog. „Daher kann die Bank in diesem Fall nicht wegen einer unklaren Erbensituation auf einen Erbschein bestehen.“ Aber genau so passiert es leider immer noch häufig in der Praxis. „Betroffene Erben sollen sich das nicht einfach hinnehmen, sondern sich dagegen wehren.“

Ohne fachlichen Beistand funktioniert das oft nicht. Gute Ansprechpartner für Ratsuchende, die Ärger bei der Nachlassabwicklung haben oder ihr Testament verfassen wollen, sind auf Erbrecht spezialisierte Rechtsanwälte.

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