Vom 4. September 2023
(dpa/tmn). Verfasst jemand ein Testament unter dem Einfluss eines Dritten, so kann es an der Willensfreiheit des Testierenden fehlen.
Einflussnahme Dritter bei der Testamentserrichtung
Ein Mann verfasst am 26.5.2017 ein privatschriftliches Testament, in dem er seine Nichte und einen Bekannten zu gleichen Teilen als Erben einsetzt. Der Bekannte beantragt beim Nachlassgericht einen entsprechenden Erbschein zu erteilen. Die Nichte hingegen hält sich für die Alleinerbin nach gesetzlicher Erbfolge, da ihr Onkel bei Errichtung des Testaments nicht frei von Einflüssen Dritter gewesen sei. Vielmehr sei er von dem Bekannten unter Druck gesetzt worden.
Vorschläge eines Dritten schließen Willensfreiheit nicht aus
Zu Unrecht, so beschließt das Gericht. Eine letztwillige Verfügung sei nichtig, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig war. Dies setze voraus, dass aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung die nötige Einsichts- und Handlungsfähigkeit nicht gegeben war. Testierunfähig ist derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung seiner letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln. An der freien Willensbestimmung fehle es dann, wenn Einflüsse dritter Personen den Willen des Erklärenden derart übermäßig beherrschen, dass eine Bestimmbarkeit des eigenen Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist, der Verfasser also nicht mehr in der Lage ist, kritisches Abwägen oder eigenständige Gegenvorstellungen anzubringen bzw. diese nicht mehr handelnd verwirklicht werden können. Folgt der Testierende hingegen in vollem Vertrauen lediglich den Vorschlägen eines Dritten ohne weitere Nachprüfung, aber bewusst und kraft eigenen Entschlusses oder sind die Vorschläge, Forderungen oder Erwartungen des Dritten bloßes Motiv für den Inhalt des Testaments, so fehlt es nicht an einer eigenen Willensentscheidung. Die Beweis- und Feststellungslast für eine Testierunfähigkeit trägt dabei derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft. Hierzu genügen bloße Mutmaßungen und Verdächtigungen und die Aussage, es gebe für die Testamentsänderung keine rationale Erklärung, nicht, sodass im Fall davon auszugehen ist, dass dem Erblasser die nötige Testierfreiheit nicht fehlte.
Kammergericht (KG) Berlin, Beschl. v. 9.5.2019 (19 W 30/19)