Vom 23. Februar 2023
(DAV) Setzen sich Ehepartner durch einen Erbvertrag gegenseitig als ihre Alleinerben ein, so steht ihren Kindern grundsätzlich ein Pflichtteil zu. Regeln die Ehepartner aber im Rahmen des Erbvertrages, dass die Kinder beim Tod des erstversterbenden Ehepartners ein Vermächtnis erhalten sollen, so haben die Kinder die Wahl, sich für das Vermächtnis oder für den Pflichtteil zu entscheiden. Nehmen sie das Vermächtnis an, so stehen ihnen die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche wie sie sich aus einem Pflichtteilsanspruch ergeben, nicht mehr zu.
Der Fall
Eine Frau verstirbt. Auf Grundlage eines notariellen Ehe- und Erbvertrages zwischen ihr und ihrem Ehemann ist dieser Alleinerbe der Frau geworden. Der Erbvertrag enthält eine Regelung, die besagt, dass der Sohn beim Tod des zuerst versterbenden Ehepartners ein Vermächtnis erhalten soll, welches der Höhe nach dem gesetzlichen Pflichtteil entspricht. Nach dem Tod seiner Mutter nimmt der Sohn dieses Vermächtnis an. Daneben verlangt er von seinem Vater die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnissen sowie eine Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses. Der Vater übergibt dem Sohn ein einfaches Nachlassverzeichnis, ist aber der Auffassung, dass dieser kein notarielles Nachlassverzeichnis und keine Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses verlangen kann.
Vermächtnis begründet keine weitergehenden Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche
Zu Recht, so urteilt das Gericht. Zwar kann einem Kind, welches ein Vermächtnis in Höhe des gesetzlichen Pflichtteils annimmt, ein einfacher Auskunftsanspruch zustehen, der ihm dabei hilft, seinen Anspruch auf das Vermächtnis durchzusetzen. Ein Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis sowie auf Wertermittlung der Kosten des Nachlasses steht ihm hingegen nicht zu. Denn mit der Annahme des Vermächtnisses erlischt der Pflichtteilsanspruch und alle damit verbundenen Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche vollständig. Ein weitergehender Anspruch als ein allgemeiner Auskunftsanspruch kann schon deshalb nicht angenommen werden, da das Kind sich bewusst für die Annahme des Vermächtnisses entschieden hat und damit gleichzeitig gegen einen Pflichtteilsanspruch. Es ist daher nicht vom Gesetz vorgesehen, dass das Kind trotz seiner Entscheidung gegen den Pflichtteil Ansprüche geltend machen kann, die ihm zustehen würden, wenn es sich für den Pflichtteil entschieden hätte. Auch das Bedürfnis nach Informationen ist bei der Annahme eines Vermächtnisses lediglich auf dessen Erlangung gerichtet und steht damit einem Informationsbedürfnis eines Pflichtteilsberechtigten nicht gleich.
Oberlandesgericht (OLG) OLG München, Urt. v. 21.11.2022 (33 U 2216/22)