Vom 30. Juni 2023
(dpa/tmn). Das Erbschaftsteuerrecht sieht beim sog. „Familienheim“ eine Steuerbefreiung für Kinder des Erblassers vor, soweit er die Wohnung bis zu seinem Tode zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und das Kind unverzüglich zur selbst in die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken einzieht. Doch was gilt, wenn das Familienheim zeitweise vermietet wird und ein Einzug des Kindes nicht unverzüglich nach dem Erbfall erfolgt?
Erbschaftsteuerbefreiung für das Familienheim
Eine Frau ist Alleinerbin ihrer Mutter. Im Nachlass befindet sich ein 50%iger Miteigentumsanteil an einem Zweifamilienhaus. Die Wohnung im Obergeschoss wird zunächst von der Mutter selbst bewohnt, steht aber nach ihrem Umzug in eine Pflegeeinrichtung einige Zeit leer. Zur Finanzierung der Unterbringung in der Pflegeeinrichtung schließt die Mutter unter Mitwirkung der Tochter einen Mietvertrag über die Wohnung mit einer dritten Person ab. Das Mietverhältnis wird auf vier Jahre befristet. Als die Mutter stirbt, ist das Mietverhältnis noch nicht beendet, sodass die Tochter die Wohnung erst nach Ablauf des befristeten Mietverhältnisses bezieht. Mit Einreichung der Erbschaftsteuererklärung beim zuständigen Finanzamt beantragt sie Steuerbefreiung für das Familienheim. Das Finanzamt gewährt diese jedoch nicht, da es in der Mitwirkung der Tochter am Mietvertrag ein Verschulden für den verspäteten Einzug sieht.
Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Selbstnutzung
Zu Unrecht, so urteilt das Gericht. Wer ein bebautes Grundstück von seinen Eltern erbt, kann von der Erbschaftsteuer befreit sein. Voraussetzung ist, dass der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und das Kind die Wohnung unverzüglich selbst bezieht. Die Steuerbefreiung wird aber auch dann gewährt, wenn der Erblasser vor seinem Tod aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war. Als ein solcher zwingender Grund ist die Pflegebedürftigkeit anerkannt. Auch wenn der Erblasser in ein Pflegeheim umzieht und seine eigene Wohnung zur Finanzierung der eigenen Unterbringung vermietet, verliert die Wohnung ihre Eigenschaft als Familienheim nicht. Um eine Steuerbefreiung zu erreichen, muss das erbende Kind aber die Absicht haben, die Wohnung selbst zu nutzen und dies auch tatsächlich umsetzen. Dies muss „unverzüglich“, also regelmäßig innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall geschehen. Erfolgt der Einzug erst später, führt das nicht zwingend zum Ausschluss der Steuerbefreiung. Auch wer aus zwingendem Grund ohne Verschulden erst später einziehen kann, kann die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen. Einen solchen zwingenden Grund sah das Gericht hier im Abschluss des Zeitmietvertrages, welcher die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausschließt. In diesem Fall sei der Einzug des Kindes erst nach Beendigung des Mietverhältnisses möglich. Auch die Tatsache, dass das Kind am Zustandekommen des Mietvertrages beteiligt war, führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einem Verschulden auf Seiten des Kindes. Die Steuerbefreiung war zu gewähren.
Finanzgericht (FG) München, Urt. v. 26.10.2022 (4 K 2183/21)