Vom 21. Mai 2023
(dpa/tmn). Hat ein Erblasser ein privatschriftliches Testament erstellt und ist dieses abhandengekommen, so ist fraglich, ob der durch das Testament eingesetzte Erbe, dennoch einen Erbschein erhalten kann.
Abhandengekommenes Testament
Eine Frau verfasst rechtsanwaltlich beraten ein privatschriftliches Testament, in dem sie eine ihrer Töchter als ihre Alleinerbin einsetzt. Dieses verwahrt sie in einem Umschlag und verschließt es mit einem Aufkleber. Ihr Lebensgefährte wirft das Testament sodann in einem größeren Umschlag zusammen mit einem Anschreiben beim zuständigen Amtsgericht zur Hinterlegung ein. In der Nachlassabteilung des Amtsgerichts kommt aus ungeklärten Gründen nur das Anschreiben an, nicht aber das in dem kleinen Umschlag befindliche Testament. Nach dem Tod der Frau beantragt gleichwohl die durch das abhandengekommene Testament als Alleinerbin eingesetzte Tochter einen Erbschein. Die andere von der Erbfolge ausgeschlossene Tochter widerspricht dem und bestreitet, dass das Testament verloren gegangen sei. Die Mutter habe es vielmehr zwischen Errichtung und ihrem Tod vernichtet und es damit widerrufen.
Testament muss nicht zwingend als körperliche Urkunde vorliegen
Zu Unrecht so entscheidet das Gericht und erteilt den Erbschein wie beantragt. Die Tatsache, dass ein Testament nicht mehr als körperliche Urkunde vorliegt, steht der Erteilung eines Erbscheins grundsätzlich nicht entgegen. Für die Erteilung eines Erbscheins nach testamentarischer Erbfolge ist allein maßgeblich, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Erblasser ein formgültiges Testament erstellt hat. Aus den Gesamtumständen sowie möglichen Zeugenaussagen, zum Beispiel einer vor Erstellung des Testaments konsultierten Rechtsanwältin, kann das Gericht die Erstellung eines formgültigen Testaments für bewiesen halten. Auch der bloße Vortrag über den Widerruf des Testaments ändert nichts daran. Der Widerruf, der durch Vernichtung oder Erstellung eines anderslautenden Testaments erfolgen kann, muss als rechtsvernichtende Tatsache vielmehr von der dem Antrag entgegentretenden Tochter bewiesen werden. Die reine Behauptung über die Vernichtung des Testaments reicht hingegen nicht aus.
Amtsgericht (AG) Hameln, Beschl. v. 24.2.2022 (18 VI 135/21)