Vom 1. Dezember 2024
(dpa/tmn). In der Tat richtet sich die Erbfolge und die Zuständigkeit der Nachlassgerichte nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen. Denn das dortige Recht und die dortigen Gerichte sind für die Erbfolge maßgeblich und zuständig. Wer einen Angehörigen in einem ausländischen Pflegeheim unterbringt, mag hinterher eine Überraschung erleben, wenn er das heimische Nachlassgericht und die heimischen Erfolge-Regelungen für zuständig bzw. einschlägig hält. Doch der gewöhnliche Aufenthalt braucht neben dem objektiven Kriterium des tatsächlichen Aufenthalts in subjektiver Hinsicht einen Bleibewille. Diesen können Demenzkranker nicht unbedingt selbst bilden.
Umzug in das kostengünstigere Pflegeheim Polen …
In dem zugrundeliegenden Fall verbrachte eine Frau ihren Ehemann in ein Pflegeheim in Polen, wo er schließlich verstarb. Kinder hatte er nicht. Der Mann war nach einer Demenzerkrankung zu einem Pflegefall geworden. Eine Versorgung zu Hause war nicht mehr möglich. Die Ehefrau entschied sich aus finanziellen Gründen schließlich für ein Pflegeheim in Polen, nachdem der Mann zuvor in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland versorgt worden war. Nach seinem Tod beantragte die Ehefrau beim Nachlassgericht an ihrem Wohnsitz in Singen in Deutschland einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies. Das Gericht in Singen verwies sie an die polnischen Nachlassbehörden.
… macht die hiesigen Nachlassgerichte nicht unbedingt unzuständig.
Zu Unrecht, entschied das Gericht in Karlsruhe. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts seien die deutschen und nicht die polnischen Gerichte zur Erteilung des Erbscheins zuständig. Zwar richte sich diese sog. Internationale Zuständigkeit danach, wo der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies richte sich aber nicht nur nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort, sondern sei anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Zu berücksichtigen sind die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, Umstände und Gründe für die Präsenz im betreffenden Staat, sowie der Wille des Erblassers, in dem Staat den ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen zu begründen und dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen, familiäre und soziale Bindungen und gegebenenfalls auch die Begründung der Staatsangehörigkeit des Staates, die Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände im Staat sowie die Sprachkenntnisse des Erblassers. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers sind demnach sowohl objektive als auch subjektive Kriterien maßgeblich.
Im vorliegenden Fall war der Erblasser zwar körperlich anwesend in Polen und auch kommt es auf eine konkrete Dauer oder die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht an. In subjektiver Hinsicht fehlte es aber an einem Bleibewille des Verstorbenen. Er hatte nicht den nach außen manifestierten Willen, seinen Lebensmittelpunkt im Pflegeheim in Polen dauerhaft zu begründen. Zwar bedarf es insoweit keines rechtsgeschäftlichen Willens. Hinreichend ist vielmehr ein natürlicher Wille, wenn pflegebedürftige Personen in ausländischen Pflegeheimen untergebracht werden. Können diese zum Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels aber gar keinen eigenen Willen mehr bilden oder erfolgt die Unterbringung gegen ihren Willen, dann kann kein gewöhnlicher Aufenthalt am neuen Ort begründet werden. Dies gilt zumal, wenn der Verstorbene im Übrigen in Deutschland gearbeitet hatte und sein gesamtes Vermögen sich in Deutschland befand, wo er auch Rente etc. bezog und die Unterbringung in Polen allein finanziellen Gesichtspunkten geschuldet war.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies daher das Nachlassgericht in Singen an, über den Erbscheinsantrag zu entscheiden.
Fazit: Wer vom Nachlassgericht abgewiesen und an ausländische Behörden verwiesen wird, sollte mittels fachkundiger Hilfe überprüfen lassen, ob der gewiesene tatsächlich der richtige Weg ist. Der Weg zum spezialisierten Anwalt ist dann oft kostengünstiger als der Weg über die ausländischen Behörden (und zurück!).
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.7.2027 (14 W 50/24 Wx)