Seite drucken

Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 27. Februar 2019

Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel

(dpa/tmn). Eine Pflichtteilsklausel, die auf ein „Verlangen“ des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten abstellt, greift nicht bereits dann ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung des überlebenden angreift.

Der Fall

Eheleute hinterlassen ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und ihre beiden Kinder als Schlusserben. Die Kinder sollen auch bei gleichzeitigem Versterbens erben. Wenn einer von ihnen jedoch auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, so sollen er und seine Nachkommen von der Erbfolge auf Ableben des Längstlebenden ausgeschlossen sein. Der Vater stirbt zuerst. Der Mutter wird ein Alleinerbschein ausgestellt. Die Tochter greift nach dem Tod der Mutter deren Alleinerbenstellung an. Sie habe Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments (Hinweise auf Auffälligkeiten betreffend die Testamentsurkunde sowie des Vorliegens eines Testierwillens der Erblasser). Das Nachlassgericht weist die Bedenken zurück. Tochter und Sohn streiten nun darum, ob sie gemeinsam Erben der Mutter geworden sind oder ob die Tochter aufgrund der Strafklausel vom Erbe ausgeschlossen ist.

Pflichtteilsstrafklausel greift nicht

Die Kinder sind erben zu je ein Halb, entscheiden die Richter. Die angeordnete Pflichtteilsklausel greift nicht. Denn die von der Tochter beantragte Einziehung des der Mutter erteilten Erbscheins stellt kein „Verlangen“ im Sinne der von den Ehegatten angeordneten Pflichtteilsklausel dar. Mit einer solchen Pflichtteilsklausel wollen Ehegatten sicherstellen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Schlusserben gestört wird. Auch soll nicht eines der Kinder bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt werden. Welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der Pflichtteilsausschlussklausel erfüllt sein müssen, hängt im Einzelfall von der Gestaltung bzw. Formulierung und dem Willen der Erblasser ab, der gegebenenfalls im Wege der Auslegung festzustellen ist. Insofern kann eine Pflichtteilsklausel auch dann eingreifen, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil fordert. Ein solcher Wille der Eltern kann hier aber nicht unterstellt werden. Nach dem Wortsinn sanktioniert die Formulierung bereits einen ausdrücklichen und ernsthaften, auch außergerichtlichen Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil beziffert oder diesen tatsächlich erhält. Diesem kann jedoch nicht der Antrag auf Einziehung des zugunsten der Erblasserin erteilten Erbscheins gleichgestellt werden. Denn damit ist noch kein aktiver Zugriff der Tochter auf das Nachlassvermögen des Erstversterbenden verbunden. Dies aber erfordert die von den Ehegatten verwendete Fassung der Klausel („verlangt“).

Oberlandesgericht (OLG) München Beschl. v. 06.12.2018 (31 Wx 374/17)