Vom 1. Mai 2018
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Bremen ist für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner interessant, wenn sie gemeinsam ihr Testament verfassen wollen. Bei unklaren Regelungen kann es zu Auslegungsproblemen kommen, die im schlimmsten Fall wie in dem Bremer Fall ein Gericht klären muss (Az.: 5 W 27/16).
Ein Ehepaar mit zwei Töchtern hatte gleich dreimal ein handschriftliches Ehegattentestament verfasst. Darin setzen sie sich jeweils gegenseitig zu Alleinerben ein, bestimmten aber jedes Mal andere Schlusserben.
Zum Hintergrund: Ein handschriftliches Ehegattentestament ist an strenge Formvorschriften gebunden, damit es wirksam ist. Ein Partner muss den letzten Willen von Anfang bis Ende per Hand aufschreiben, das Datum hinzufügen und den Text mit Vor- und Zunamen unterschreiben. Der andere Ehegatte muss sich der Erklärung anschließen, indem er ebenfalls das Datum per Hand hinzuschreibt und das Testament mit seinem Vor- und Zunamen unterschreibt. Nur Verheiratete und Verpartnerte haben überhaupt die Möglichkeit, ein solches gemeinsames Testament zu errichten. Lebenspartner ohne Trauschein können nur einzeln jeder für sich ihr Testament errichten.
Zurück zum Urteilsfall: Die Ehegatten hatten in der jüngsten Fassung ihres Testaments bestimmt, dass nach dem Tod beider die beiden Töchter je 40 Prozent ihres Vermögens erben sollten, die Enkelkinder 20 Prozent. Das Ehepaar benannte darüber hinaus zwei Personen, die als Testamentsvollstrecker den Nachlass nach ihrem Tod abwickeln sollten. Soweit waren die Verfügungen verständlich. Für Streit, den am Ende das Gericht klären musste, sorgte jedoch die Formulierung:
„Der Überlebende von uns kann dieses Testament in allen Punkten ändern und anderweitig letztwillig verfügen, jedoch nur in Übereinstimmung mit den Testamentsvollstreckern.“
Was war damit genau gemeint? Der Ehemann war nach dem Tod seiner Frau der Meinung, dass dies lediglich eine Empfehlung sei, im Einvernehmen mit den Testamentsvollstreckern zu handeln. Er suchte einen Notar auf und errichtete er ein eigenes Testament. Dem Notar erklärte er zu dem Passus mit den Testamentsvollstreckern, dass die Formulierung nicht so verstehen sei, dass er die Zustimmung der Testamentsvollstrecker einholen und sich „ihrem Diktat“ unterordnen müsse. Ihm und seiner Frau sei es lediglich darum gegangen, das alles in Frieden und Einvernehmen abgewickelt würde. Anders als zuvor bedachte er in seinem Testament die Enkelkinder gar nicht mehr. Seine beiden Töchter setzte er zwar als Erbinnen ein, eine aber lediglich als Nacherbin der anderen, mithin mit einer deutlich schlechteren Position als ihre Schwester. Darüber hinaus bestimmte er, dass nunmehr seine bevorzugte Tochter als sein verlängerter Arm die Testamentsvollstreckung übernehmen solle.
Nach dem Tod des Vaters beantragte die Lieblingstochter einen Erbschein und ein Testamentsvollstreckerzeugnis und bekam die Unterlagen vom Nachlassgericht ausgestellt. Dagegen wehrte sich die andere Tochter. Sie forderte die Einziehung des Erbscheins. Denn anders als von ihren Eltern gemeinsam festgelegt, hätte ihr Vater nach dem Tod der Mutter das gemeinsame Testament ohne das Einverständnis der Testamentsvollstrecker geändert. Er habe sich damit über den Willen der Mutter hinweggesetzt, was er so nicht durfte. Denn ihre Eltern, die bei ihrem dritten Testament schon hoch betagt waren, hätten mit der Regelung sicher stellen wollen, dass der überlebende Partner sich nicht so leicht beeinflussen ließe.
Das Gericht gab der Tochter Recht und wies das Nachlassgericht an, den Erbschein von der bevorzugten Tochter einzuziehen.
Die Erklärung für diesen Urteilsspruch liegt im Ehegattentestament selbst. Beide Partner bestimmen darin gemeinsam ihre Erben. Und wenn sich beide gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, gilt als Grundsatz: Die Schlusserben, bei Ehegatten sind das meist die gemeinsamen Kinder, soll der überlebende Partner nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr ändern können. Wenn der überlebende Ehegatte die Möglichkeit haben soll, später noch andere Erben zu bestimmen, muss dies ausdrücklich im Ehegattentestament ähnlich wie Im Urteilsfall festgelegt werden. Andernfalls sind spätere Änderungen grundsätzlich ausgeschlossen. „Vielen Ehegatten, die ihren letzten Willen gemeinsam verfassen, ist diese Bindungswirkung gar nicht bewusst“, sagt Rechtsanwalt Jan Bittler, Mitglied der AG Erbrecht im DAV. „Erst wenn der Partner verstorben ist und das gemeinsame Testament geändert werden soll, kommt dann das böse Erwachen.“
Im Urteilsfall ordnete das Gericht die Formulierung „Nur im Einverständnis mit den Testamentsvollstreckern“ als Bedingung für spätere Änderungen ein. Danach konnte bzw. durfte der Vater das Testament nach dem Tod der Mutter nur noch mit Zustimmung der zuvor gemeinsam benannten Testamentsvollstrecker ändern. Ohne diese waren Änderungen ausgeschlossen. Da es an der Zustimmung mangelte, war das notarielle Einzeltestament des Vaters unwirksam.
Freuen darüber konnte sich im Urteilsfall nicht nur die Tochter, die nach dem Testament ihrer Eltern neben ihrer Schwester 40 Prozent des Vermögens erbte, sondern auch die Enkelkinder, die der Großvater „enterbt“ hatte.
Der Fall zeigt wieder einmal, wie dringend ratsam es ist, auf keinen Fall ein Ehegattentestament ohne fachliche Unterstützung zu errichten. Andernfalls kann es passieren, dass Regelungen getroffen werden, die keinesfalls im Sinne der Partner sind und später nicht mehr geändert werden können.
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