Vom 15. Juli 2019
Annehmen oder ausschlagen? Für potenzielle Erben tickt die Uhr. Nur sechs Wochen haben sie ab der Kenntnis vom Todesfall Zeit, um die Frage für sich zu klären. Hat der Verstorbene seine Erben in einem Testament bestimmt, gibt es noch etwas Zeitaufschub. In diesem Fall beginnt die Frist erst mit der Bekanntgabe des Testaments durch das Nachlassgericht. „Trotzdem sollten Erben keine Zeit verstreichen lassen und sofort mit der Sichtung des Nachlasses beginnen“, rät Stephanie Herzog, Rechtsanwältin und Mitglied der AG Erbrecht im DAV. Wer die Sechs-Wochen-Frist einfach so verstreichen lässt, hat die Erbschaft angenommen. Dies kann ein Fehler sein, wenn der Nachlass überschuldet ist. Genauso falsch kann es sein, ohne Recherchen über die Vermögenswerte des Verstorbenen die Erbschaft vorschnell beim Nachlassgericht auszuschlagen. Stellt sich dann später heraus, dass er anders als vermutet keinesfalls nur Schulden hinterlassen hat, lässt sich die einmal erklärte Ausschlagung nur noch unter engen Voraussetzungen reparieren.
Aktuelles Urteil über die Anfechtung der Ausschlagung
Genauso war es in dem Fall, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden musste (Az.: 3 Wx 140/18). Eine alleinlebende Witwe, die in einer völlig vermüllten und verschmutzten Wohnung gelebt hatte, war verstorben. Ein Testament hatte sie nicht hinterlassen. Erben nach der in diesem Fall geltenden gesetzlichen Erbfolge waren ihre beiden Schwestern, die die Lebenssituation der Verstorbenen kannten. Statt sich einen Überblick über ihre Vermögenssituation zu verschaffen, die Wohnung nach Kontounterlagen, Sparbüchern und anderen Wertgegenstände zu durchsuchen, suchten sie innerhalb der Sechs-Wochen-Frist das zuständige Nachlassgericht auf. Dort erklärten sie gegenüber einem Rechtspfleger die Ausschlagung ihrer Erbschaft. Sie gaben an, keine genauen Kenntnisse über den Nachlass zu haben, was der Rechtspfleger auch protokollierte. Falls denn noch Geld da sei, würde es für die Entrümpelung und Renovierung der Wohnung benötigt. Ihre verstorbene Schwester sei eine starke Raucherin gewesen.
Anfechtung der Ausschlagung nur bei Irrtum zulässig
Das Gericht setzte daraufhin eine Nachlasspflegerin ein. Deren Aufgabe war es, den Vermögens- und Schuldenstand der Verstorbenen zu ermitteln und weitere Erben ausfindig machen. Schnell stellte sie fest, dass die Verstorbene keinesfalls nur Schulden hinterlassen hatte, sondern knapp 11.000 Euro Guthaben auf ihrem Konto. Außerdem musste die Wohnung lediglich entrümpelt, aber nicht renoviert werden. Die Aufwendungen waren vergleichsweise gering und nach Abzug aller Kosten wies das Konto immer noch ein vierstelliges Guthaben auf. Davon erfuhr eine der beiden Schwestern der Verstorbenen. Sie bereute ihre vorschnelle Ausschlagung bei Gericht, suchte einen Notar auf und erklärte über ihn beim Nachlassgericht die Anfechtung der zuvor erklärten Ausschlagung. Zur Begründung gab sie an, dass sie sich geirrt habe über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Sie sei davon ausgegangen, dass sämtliche Ersparnisse der Schwester für die Säuberung und Renovierung der Wohnung benötigt würden. Das Gericht teilte ihr daraufhin mit, dass sie einen Erbschein beantragen müsse und dabei würde dann auch geprüft, ob die Anfechtung der Ausschlagung wirksam sei. Das machte die Schwester, scheiterte jedoch mit ihrer Anfechtung. Das Nachlassgericht gelangte zu der Einschätzung, dass in ihrem Fall kein wirksamer Anfechtungsgrund vorlag. Da sie aufgrund der mangelnden Recherchen überhaupt keine Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses der Verstorbenen hatte, konnte sie auch nicht im Sinne der Anfechtungsvorschrift einem Irrtum über die Werthaltigkeit des Nachlasses unterliegen. Pech für sie. Auch mit ihrer Klage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf scheiterte sie. Vor Gericht konnte sie nicht durchdringen mit ihrem Einwand, dass nicht sie selbst, sondern eine Rechtspflegerin die Befürchtung, dass der Nachlass überschuldet sein könnte, als Grund für die Ausschlagung protokolliert und sie in diesem Zusammenhang nicht darüber aufgeklärt hätte, dass eine solche Begründung eine spätere Anfechtung ausschließen könnte.
„Der Fall zeigt, wie weitreichend die Folgen der Ausschlagung sind und wie wichtig die Recherchen über das Nachlassvermögen im Vorfeld sind“, erklärt Rechtsanwältin Herzog. „Nur wenn sich dann später ein bestimmter Vermögensgegenstand anders als angenommen als wertlos herausstellt, liegt ein Irrtum vor, der die spätere Anfechtung der Ausschlagung noch zulässt.“
Wegen der weitreichenden Folgen der Annahme und Ausschlagung ist jeder Erbe gut beraten, fundierten Rechtsrat einzuholen. Dadurch lassen sich Fehler wie im Fall der Klägerin vermeiden, die sich im Nachhinein nicht mehr reparieren lassen.
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