Vom 29. Oktober 0210
Eine Ehefrau, die eine außereheliche Liebesbeziehung unterhält und ihren Mann in einem Seniorenheim unterbringen lässt, ist nicht erbunwürdig. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt. Zur Behandlung einer psychischen Erkrankung befand sich der spätere Erblasser von September 1999 an für rund ein Jahr in stationärer Behandlung. Ab Mai 2001 lebte er in einem Seniorenheim.
Im Sommer 2006 wechselte der Mann das Seniorenheim. Nach einer ebenfalls in diesem Sommer durchgeführten Darmoperation wegen eines kurz vorher diagnostizierten Darmkarzinoms verstarb er. Ein Sohn aus erster Ehe des Verstorbenen klagte gegen die Witwe – dessen zweite Frau – auf Erbunwürdigkeit.
Unter anderem warf er der Frau vor, ein Verhältnis mit einem befreundeten Rechtsanwalt, einem Berater der Familie, zu haben. Sie habe deshalb zunächst versucht, nach Beendigung des Klinikaufenthaltes eine Rückkehr des Mannes in den eigenen Haushalt zu verhindern. Nach der dennoch erfolgten Rückkehr habe sie gegen den Willen des Erblassers veranlasst, dass dieser im Mai 2001 in einem Seniorenheim aufgenommen wurde.
Obwohl der Verstorbene bereits seit längerer Zeit über Schmerzen im Bauchraum klagte, habe die Witwe es außerdem unterlassen, eine fachärztliche Klärung herbeizuführen. Die Richter der zweiten Instanz sahen jedoch keine Gründe, die Witwe für erbunwürdig zu erklären. Grundsätzlich könne das Verschweigen einer außerehelichen Beziehung eine arglistige Täuschung darstellen. Jedoch habe der Gesetzgeber bei der Regelung der Erbunwürdigkeitsgründe die Problematik der erbrechtlichen Folgen der ehelichen Untreue bereits berücksichtigt. Deswegen sei die Untreue auch als möglicher Grund für den Entzug des Ehegattenpflichtteils entfallen.
Nur bei Vorliegen gravierender Umstände sei der untreue Ehepartner verpflichtet, seinen Partner aufzuklären. Außerdem müsse der untreue Partner durch das Unterlassen der Aufklärung auf künftige Entscheidungen des Erblassers in unlauterer Weise Einfluss nehmen wollen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da der Erbvertrag zwischen den beiden Ehepartnern, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten, bereits vor Beginn der außerehelichen Beziehung abgeschlossen gewesen sei. Auch aus der Tatsache, dass der Erblasser schon seit längerer Zeit über Schmerzen im Bauchraum klagte, die Ehefrau jedoch keine fachärztliche Behandlung durchgesetzt habe, lasse sich keine Erbunwürdigkeit herleiten. Laut Gericht könne hier nicht ohne Weiteres ein Tötungsvorsatz, sondern, wenn überhaupt, Fahrlässigkeit angenommen werden.
Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 29. Oktober 2010 (Az: 21 U 9/10)