Vom 13. Januar 2021
(dpa/tmn) Seit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung im Jahre 2015 sind für Nachlassangelegenheiten die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verstorbenen zuständig. Doch was gilt, wenn sich der Erblasser unter Beibehaltung seiner Wohnung in ein (Sterbe-)Hospiz begeben hat, wo er dann verstorben ist. Dies begründet regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt, sodass die Gerichte dort, wo sich die Wohnung befindet zuständig bleiben.
Der Fall
Eine Frau erkrankte schwer. Aus dem Krankenhaus wird sie in eine „Beatmungs-WG“ entlassen. Ihre Wohnung wird nicht aufgelöst. Nach drei Monaten soll entschieden werden, ob die Erblasserin in diese zurückkehren kann. Dazu kommt es nicht, da sie nach erneuten Krankenhausaufenthalten zur Palliativpflege aufgenommen wird, wo sie am nächsten Tag stirbt. Nach ihrem Tod ist fraglich, welches Gericht für ihre Nachlassangelegenheiten zuständig ist – das, wo ihre Wohnung lag oder das am Ort des Hospizes.
Gewöhnlicher und nicht schlichter Aufenthalt maßgeblich
Zuständig ist das Gericht, das am Ort der Wohnung belegen ist, entschieden die Richter. Maßgeblich sei nicht der schlichte Aufenthalt, sondern der gewöhnliche Aufenthalt. Damit sei der Ort gemeint, an dem der Schwerpunkt der Bindungen einer Person, ihr Daseinsmittelpunkt, liege. Der vorübergehende Aufenthaltswechsel habe den tatsächlichen Lebensmittelpunkt der Erblasserin, die auch über soziale Beziehungen verfügte, unberührt gelassen. Wird die bisherige Niederlassung – wie hier – nicht aufgehoben, setzt die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts regelmäßig voraus, dass dieser auf einige Dauer – z.B. sechs Monate – hin angelegt ist. Bei einem Krankenhausaufenthalt steht hingegen die (zeitlich begrenzte) Heilbehandlung und nicht die soziale Einbindung des Patienten in das neue Umfeld im Vordergrund. Gleiches gilt für die Aufnahme in eine Einrichtung zur temporären Intensivpflege oder in ein Hospiz, ggf. zur Sterbebegleitung, da auch die Palliativversorgung eine Form der medizinischen Behandlung, wenn auch mit besonderen Schwerpunkten und Zusatzleistungen sei, wo man üblicherweise nur vorübergehend verweile. Die Anwesenheit werde auch nicht dadurch zum gewöhnlichen Aufenthalt, dass sie voraussichtlich eher durch den Tod als durch die Rückkehr in die Wohnung enden wird.
Kammergericht (KG) Berlin, Beschl. v. 6.10.2020 (1 AR 1020/20)