Vom 21. Juni 2016
(dpa/red). Um seine gewillkürte Erbenstellung nachzuweisen, muss man das Testament des Erblassers im Original dem Nachlassgericht vorlegen. Aber gibt es dennoch Möglichkeiten, den Inhalt eines verschwundenen Testaments und somit die eigene Erbenstellung nachzuweisen? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe.
In einem Ehegattentestament von 2004 ist einer von zwei Söhnen auf den Pflichtteil gesetzt. Als der Vater 2013 stirbt, ist das Testament unter „der Tischdecke mit der Nähmaschine darauf“ nicht mehr auffindbar. Kopien des Testamentes sind aber in einer Schublade unterhalb der Nähmaschine. Der enterbte Sohn tritt dem Erbscheinantrag der Mutter, in dem sie gegenüber dem Nachlass einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten beantragt, entgegen. Das Original sei nicht mehr vorhanden und die Echtheit der Unterschrift des Vaters werde bezweifelt. In einem Schreiben an das Gericht versichert die Mutter eidesstattlich, nicht im Besitz des originalen Testaments zu sein, das Testament mit dem Erblasser gemeinsam errichtet zu haben und angeben zu können, dass die Unterschrift vom Erblasser stamme. Zudem legt sie ein Schreiben eines Rechtsanwalts vor, in welchem dieser den Text des Testamentes vorformuliert, den die Eheleute daraufhin eigenhändig abgeschrieben und unterzeichnet haben. Das Nachlassgericht hat daraufhin einen Alleinerbschein erlassen. Weil der Sohn hiergegen Beschwerde einlegt, muss das OLG Karlsruhe entscheiden.
Das OLG Karlsruhe erklärt, dass das Nachlassgericht sich nicht mit schriftlich eingereichten Unterlagen begnügen darf. Zwar erfüllt die Fotokopie eines Testaments als solche nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament; allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht nicht abgeleitet werden. Das ändert aber nichts daran, dass auf andere Weise der Nachweis geführt werden kann, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat. An die Beweisführung, bei der die Feststellungslast nach allgemeinen Regeln dem vom Testament Begünstigten obliegt, sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Ist dann der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts der Verfügung erbracht, ist die Rechtslage nicht anders als bei Vorlage eines Testaments in Urschrift zu beurteilen. Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird. Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts; sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.
Wenn das Original eines Testamentes nicht mehr vorhanden ist, sondern der Nachweis des Erbrechts auf eine Kopie des Testaments gestützt wird, bedarf es besonders sorgfältiger Ermittlungen. Kommt es wie hier diesbezüglich auf die Angaben von Zeugen an, ist allein schon zur Wahrung des Anwesenheits- und Fragrechts der Beteiligten allein der Strengbeweis sachgerecht. Im Rahmen dessen muss eine mündliche Verhandlung mit einer Beweisaufnahme durchgeführt werden. Der Senat hat diese Beweisaufnahme durchgeführt und ist auf Grund des Ergebnisses seiner Anhörung der Beteiligten und der Beweisaufnahme durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens davon überzeugt, dass der Erblasser und seine Ehefrau ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie des Testaments ersichtlichen Inhalt errichtet haben. Ein Widerruf dieses Testaments ist nicht feststellbar. Obwohl das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist, ist die Ehefrau durch dieses Erbin geworden:
Oberlandesgericht Karlsruhe am 8. Oktober 2015 (AZ: 11 Wx 78/14)