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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 26. August 2015

„Testaments-Vollmacht“, was ist das?

(dpa/red). Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen seinen Erben bestimmen. Hat er eine solche Bestimmung wirksam getroffen, wird hierdurch die gesetzliche Erbfolge verdrängt. Gegenstand eines solchen Testamentes kann nicht nur eine Erbeinsetzung sein, sondern unter anderem auch die Erteilung einer Vollmacht, die über den Tod des Erblassers hinaus gilt. Ist aber mit einer Vollmachterteilung ohne weitere Hinweise auf eine Erbenstellung auch eine Erbeinsetzung angeordnet? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock.

 

Der Fall

Die Erblasserin und Mutter von 5 Kindern schrieb 2-mal handschriftlich auf, dass ein Sohn von ihr nach ihrem Ableben über ihr gesamtes Vermögen bevollmächtigt werde. Beide Male überschrieb sie dies mit „Testament“ und unterschrieb auch diese Schriftstücke. Mehr Inhalt hatten die Schriftstücke nicht. Der dadurch bevollmächtigte Sohn starb vor seiner Mutter und hinterließ 2 eigene Kinder. Aufgrund der „Testamente“ ihrer Großmutter hielten diese sich für die alleinigen Erben. Die anderen 4 Kinder der Erblasserin wollten aber auch Erben sein.

 

Erst Auslegung …

Das Amtsgericht Greifswald bestimmte die Enkel als Erben und stellte für diese einen Erbschein aus. Das OLG Rostock hob diesen auf: Zwar handelt es sich bei den mit „Testament“ überschriebenen Schriftstücken um formwirksame letztwillige Verfügungen. Nach Ansicht des OLG ergibt aber eine Auslegung derer nicht, dass damit eindeutig auch eine alleinige Erbeinsetzung des verstorbenen Sohnes gewollt war. „Lässt eine letztwillige Verfügung verschiedene Auslegungen zu, ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann. Es ist also nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der reale Wille des Erblassers zu ermitteln. Dabei sind die gesamten innerhalb und außerhalb der Urkunde liegenden Umstände heranzuziehen. Gelingt es trotz Auswertung aller Umstände dem Gericht nicht, sich von dem tatsächlichen Willen des Erblassers zu überzeugen, muss sich das Gericht damit begnügen, dasjenige zu ermitteln, was dem Willen des Erblassers mutmaßlich am ehesten entspricht.“ Die gemeinsame Benutzung der Worte „Testament“ und „Vollmacht“ im selben Schriftstück ohne eindeutige Erbeinsetzung lassen sowohl eine Auslegung für als auch gegen eine alleinige Erbeinsetzung des benannten Sohnes zu. Festzustellen ist dies zumindest nicht eindeutig.

 

… dann ist der mutmaßliche Wille zu erkunden

Dem OLG scheint es aber „als der mutmaßliche Wille der Erblasserin, den einen Sohn, wie schon zu ihren Lebzeiten, auch für den Fall ihres Ablebens, mit einer Vollmacht auszustatten, um ihm die umfassende Abwicklung der Erbschaftsangelegenheit zu ermöglichen.“ Aber mehr auch nicht.

 

Oberlandesgericht Rostock am 8. Januar 2015 (AZ: 3 W 98/14)

 

Quelle: www.dav-erbrecht.de