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Vom 19. Mai 2010

Unwirksames gemeinschaftliches Testament kann umgedeutet werden

Ehepaare verfassen in der Regel gemeinschaftliche Testamente. Dabei setzen sie sich oft gegenseitig als Erben ein und treffen auch eine Regelung über die weitere Erbfolge. Fraglich ist aber, ob ein solches gemeinschaftliches Testament gültig ist, wenn einer der beiden Ehegatten aufgrund einer Demenz-Erkrankung testierunfähig ist. Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass ein solches Testament umgedeutet werden kann.

Dies sei dann der Fall, wenn der Erblasser seinen eigenen Willen auch bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Verfügung des anderen Testierenden so getroffen hätte. Der Erblasser war im Jahre 2007 im Alter von 75 Jahren verstorben. Seine Frau lebt seit Herbst 2003 in einem Pflegeheim und leidet seit 1999/2000 aufgrund von Alzheimer an chronischer Demenz. Im März 2003 verfasste der Erblasser eigenhändig ein vierseitiges Testament und unterschrieb es. Seine Frau fügte handschriftlich hinzu „Das ist auch mein letzter Wille“. In einer zweiseitigen Vorbemerkung schilderte der Mann den schlechten gesundheitlichen Zustand seiner Frau. Weiter erläuterte er das zerrüttete Verhältnis zu den beiden Söhnen.
Das Ehepaar setzte sich gegenseitig als alleinigen Erben ein. Zugleich legten sie fest, dass nach dem Ableben des überlebenden Ehepartners allein die Enkel zu gleichen Teilen erben sollen. Nach dem Tod des Vaters wollten die Söhne das Testament für ungültig erklären lassen und verwiesen auf die fehlende Testierfähigkeit der Mutter. In beiden Instanzen unterlagen sie. Zwar sei das gemeinschaftliche Testament unwirksam, weil die Mutter nicht testierfähig gewesen sei, so das Gericht. Doch das Testament könne umgedeutet werden.

Auf diese Weise könne es als wirksames Einzeltestament des anderen Ehegatten aufrecht erhalten werden. Maßgeblich komme es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers an, wenn er gewusst hätte, dass die Verfügung seiner Frau im gemeinschaftlichen Testament wegen Testierunfähigkeit unwirksam sei. Das vom Erblasser selbst abgefasste Testament, das in vollem Umfang auf seinem eigenen Willen basiere, lasse erkennen, dass er seine Ehefrau habe bestmöglich versorgt wissen wollen. Auch sei das erklärte Ziel des Erblassers gewesen, seine Söhne bei der Erbfolge zu übergehen und die Enkel zu begünstigen. In einem Alleintestament hätte er also gewollt, dass seiner Frau eine der Alleinerbin nahekommende Rolle zufalle. Das bei ihrem Tod noch übrige Vermögen sollte allein den Enkeln zukommen. Wichtig ist, sich rechtzeitig um seinen letzten Willen zu kümmern. Alle Fragen der Erbfolge und die Abfassung eines Testaments sollten mit Unterstützung eines im Erbrecht kundigen Anwalts erfolgen. Dies hilft, Streitigkeiten nach dem Tod zu vermeiden.

Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. Mai 2010 (Az: 31 Wx 38/10)