Vom 29. November 2018
Können Urlaubsansprüche vererbt werden? Diese Frage entschied der Europäische Gerichtshof jetzt zugunsten der Erben (EuGH, Az. C-569/16 und C-570/16). Wie ein Auto, Möbel, Bankguthaben, Immobilien und andere Werte, die dem Erblasser gehörten, zählt der Barwert seiner nicht genommenen Urlaubstage zu seinem Nachlass – und kann von den Erben beim Arbeitgeber des Verstorbenen eingefordert werden, entschied das Luxemburger Gericht. „Die Erben von Arbeitnehmers sollten daher bei der Ermittlung des Nachlassvermögens feststellen, ob der Verstorbene noch Urlaubsansprüche hatte“, erklärt Rechtsanwalt und Notar Dr. Philipp Sticherling, Mitglied der AG Erbrecht im DAV. „Falls der Arbeitgeber die Auszahlung der Ansprüche ablehnen sollte, können sich die Erben jetzt auf den Europäischen Gerichtshof berufen.“
Urteilsfälle vor dem Europäischen Gerichtshof
Geklagt hatten zwei Witwen. Der Ehemann einer Klägerin war bis zu seinem Tod bei der Stadt Wuppertal beschäftigt. Er hatte gegenüber seinem Arbeitgeber noch einen Anspruch auf 25 Urlaubstage, die er bis zu seinem Tod noch nicht genommen hatte. Dies entsprach einer Vergütung von rund 5.800 Euro. Bei der zweiten Klägerin waren bis zum Tod des Ehemanns 32 Urlaubstage aufgelaufen, was einem Wert gemessen am Arbeitslohn von rund 3.700 Euro entsprach. Die Arbeitgeber hatten sich geweigert, den Witwen das Geld für den nicht genommenen Urlaub auszuzahlen. Also zogen die beiden Witwen vor Gericht. Sie hatten in der ersten und zweiten Instanz auch Erfolg. Die beiden Arbeitgeber wollten es jedoch genau wissen. Sie riefen das Bundesarbeitsgericht an, das dem Europäischen Gerichtshof die Vergütungsfrage für Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers im Erbfall vorlegte.
Übergang von Vermögenswerten
Im Todesfall gehen nicht nur Urlaubsansprüche aus einem Beschäftigungsverhältnis des Verstorbenen automatisch auf die Erben über, wie der Europäische Gerichtshof jetzt klarstellte. Dasselbe gilt auch für seine Nutzerdaten bei Sozialen Netzwerken wie Facebook, entschied der Bundesgerichtshof erst vor wenigen Monaten (Az.: III ZR 183/17).
Gesetzliche Grundlage ist der in § 1922 Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Vonselbsterwerb.
Dort heißt es: „Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.“
Dies bedeutet, dass im Todesfall alle Vermögenswerte des Erblassers, aber auch seine Verbindlichkeiten, automatisch auf die Erben übergehen.
Die Frage, die Gerichte immer mal wieder noch klären müssen ist, ob bestimmte Sachen, Forderungen und Rechte tatsächlich zum Nachlass zählen und somit auf die Erben übergehen. Was bis zum Tod aufgelaufene Urlaubsansprüche betrifft, hat der Europäische Gerichtshofs nun zugunsten der Erben entschieden. Sie können also Zahlungsansprüche gegenüber dem früheren Arbeitgeber des Verstorbenen geltend machen. Anders sieht es beim Abfindungsanspruch anlässlich einer betriebsbedingten Kündigung aus, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist verstirbt. „Der Abfindungsanspruch ist in diesem Fall noch nicht vererblich. Mit der Folge, dass die Erben keinen Anspruch darauf erwerben“, erläutert Rechtsanwalt und Notar Dr. Sticherling. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits 2007 entschieden. Beim Tod des Arbeitnehmers nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist der Abfindungsanspruch aber vererblich.
Um als Erbe nichts vom Nachlassvermögen zu verschenken ist es in jedem Fall ratsam, sich unmittelbar nach dem Erbfall fachkundig beraten zu lassen. Die Ausschlagungsfrist beträgt lediglich sechs Wochen und in dieser Zeit müssen sich die Erben einen Überblick über das gesamte Vermögen des Erblassers verschaffen, um ihre Rechte wahren zu können.
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