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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 21. Juni 2016

Voraussetzungen für ein Nottestament

(dpa/red). Ein Erblasser, der sich so in Todesgefahr befindet, dass er seinen letzten Willen voraussichtlich bis zu seinem Tode nicht mehr selber aufschreiben kann, kann sein Testament durch mündliche Erklärung vor 3 Zeugen errichten. Diese schreiben den vom Erblasser diktierten Willen auf und unterschreiben die Niederschrift selber. Die Voraussetzungen für ein solches Testament sind eng, sodass sich die Gerichte immer wieder mit dessen Wirksamkeit beschäftigen müssen. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin.

 

Der Fall

Die Erblasserin leidet an Lungenkrebs im Endstadium, ist blind, ist zu schwach um sich selbständig zu bewegen und liegt im Krankenhaus. Da sie keine näheren Verwandten hat, möchte sie eine Freundin als Alleinerbin einsetzten. Ein Testament mit diesem Inhalt wird an einem Samstag vom Arzt aufgeschrieben, ihr vorgelesen und sodann vom Arzt und einer Krankenschwester unterschrieben. Die Erblasserin stirbt 25 Tage später. Nach dem Tod beantragt die Freundin einen Erbschein zu ihren Gunsten. Das Nachlassgericht teilt ihr aber mit, dass für ein derartiges Nottestament 3 Zeugen dieses unterschreiben müssen. Dieser Mangel könnte aber nachgeholt werden, indem ein dritter, damals anwesender Zeuge das Nottestament nachträglich mitunterschreibt. Ein solcher dritte Zeuge findet sich und unterschreibt auf dem Original vor dem Nachlassgericht, dass er bei der Errichtung des Testaments ebenfalls anwesend war. Gleichzeitig finden sich entfernte aber grundsätzlich erbberechtigte Verwandte der Erblasserin, die sich gegen die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Freundin wenden. Sie meinen, das vorgelegte Nottestament ist unwirksam.

Zeugen müssen sich aktiv an der Testamentsaufnahme beteiligt sein.

Das KG Berlin stellt zunächst fest, dass wenn nur 1 Zeuge oder 2 Zeugen das Nottestament unterschrieben haben, dieser Mangel grundsätzlich unschädlich ist, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament die Erklärung des Erblassers zuverlässig wiedergibt. Der auch dann notwendige 3 Zeuge muss aber bei der Errichtung des Testamentes mitgewirkt haben. Insbesondere müssen alle 3 Zeugen gemeinsam beurteilen, ob der Erblasser die von einem Zeugen angefertigte Niederschrift seines Willens genehmigt hat. Erst dann steht mit Sicherheit fest, dass der Inhalt der Erklärung dem letzten Willen der Erblasserin entspricht. Für diese Mitwirkung genügt es nicht, dass ein Zeuge die Erklärung des Erblassers nur hören und richtig wiedergeben kann, sondern er muss auch die Absicht und das Bewusstsein der gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung bei der Testamentserrichtung gehabt haben. Nur zu bezeugen, „er war dabei“ reicht nicht.

Der Tod muss unmittelbar bevorstehen

Im vorliegenden Fall scheitert die Errichtung eines Nottestamentes aber daran, dass keine nahe Todesgefahr bestand. Die Erblasserin war zwar in einem schlechten Allgemeinzustand und konnte die Unterschrift wegen ihrer körperlichen Schwäche und Blindheit nicht selbst leisten. Die 3 Zeugen haben aber eine unmittelbar bevorstehende Todesgefahr nicht in der Niederschrift aufgenommen und hatten auch keine dahingehende Besorgnis geäußert. Eine nahe Todesgefahr liegt rechtlich erst dann vor, wenn von einem klinischen Zustand einer unmittelbar bevorstehenden Endphase des Lebens ausgegangen werden kann, wie beispielsweise bei beginnenden kleinen Organausfällen. Für ein Nottestament reicht dies immer noch nicht aus, wenn noch genug Zeit verbleibt, um einen Notar für die Erstellung eines normalen Testamentes herbeizurufen. Ist kein Notar erreichbar, so kann auch ein Bürgermeister das Testament für den Erblasser errichten. Dies war im vorliegenden Fall aber gerade nicht der Fall. Es sah bei der Errichtung des Nottestamentes nicht so aus, dass die Erblasserin nur noch kurze Zeit zu leben hat. Sie verstarb erst mehr als 4 Wochen später. Das KG Berlin schreibt, dass ihm bekannt sei, dass es in Berlin ca. 1000 Notare gibt, in denen auch an einem Samstag gearbeitet werden kann und teilweise gearbeitet wird und bereit sind, eine Beurkundung im Krankenhaus vorzunehmen. „Es ist daher gänzlich unwahrscheinlich, dass an einem Samstagmittag oder Samstagnachmittag in ganz Berlin oder der Umgebung Berlins kein Notar hätte gefunden werden können, der noch am selben Tag ein Testament im Krankenhaus beurkundet.“

 

Kammergericht Berlin am 29. Dezember 2015 (AZ: 6 W 93/15)