Vom 6. April 2018
Oft kommt es unter Geschwistern zu Streit, wenn es um die Verteilung des Erbes nach dem Tod der Eltern geht. Sei es, dass ein Kind der Meinung ist, zu Lebzeiten der Eltern gegenüber anderen Geschwistern finanziell benachteiligt worden zu sein. Oder ein Kind, das früher als die anderen zu Hause ausgezogen ist, meint dafür einen Ausgleich fordern zu können. Auch über Studium und Ausbildungen, die Eltern ihren Kindern finanziert haben, wird gestritten. Wer muss wie viel an die anderen ausgleichen? Gut, dass für alle diese Fragen das Bürgerliche Gesetzbuch Anrechnungs- und Ausgleichungsregeln bereithält. Sinn und Zweck ist es, das Vermögen möglichst gerecht im Sinne der Eltern zu verteilen.
Was aber gilt, wenn es nicht um Zuwendungen der Eltern an die Kinder, sondern umgekehrt, um besondere Zuwendungen eines Kindes an die Eltern geht? In wie weit kann ein Kind dafür einen Ausgleich fordern? „Die Höhe der Forderung hängt davon ab, was ein Kind im Einzelfall an Leistungen für seine Eltern erbracht hat“, erläutert Wolfram Theiss, Rechtsanwalt in München und Vorsitzender der AG Erbrecht im Deutschen Anwaltverein. „Voraussetzung für einen Ausgleich ist aber in jedem Fall, dass das Kind für Mitarbeit im Haushalt, Geschäft oder für länger andauernde Pflegeleistungen von den Eltern keine oder jedenfalls keine angemessene Entlohnung enthalten hat.“ Wenn zwischen dem Kind und seinen Eltern ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist der Anspruch von vornherein ausgeschlossen.
Hinter der Ausgleichregelung steht folgender Gedanke: Hat ein Kind in besonderem Maße dazu beigetragen, dass nach dem Tod der Eltern überhaupt noch so viel Vermögen zum Verteilen vorhanden ist, soll es dafür eine Extrazuwendung aus dem Nachlass erhalten. Denn Dienstleister für Haus und Garten, Pflegekräfte oder eine Heimunterbringung kosten viel Geld. Lebt ein Kind in der Nähe und erspart es seinen Eltern diese Kosten durch seine Mithilfe und Pflegeleistungen, ist der Nachlass am Ende entsprechend höher. Daher kann beispielsweise eine Tochter, die ihre pflegebedürftige Mutter in den letzten Jahren bis zu ihrem Tod unentgeltlich umsorgt hat, von den Geschwistern bei der Erbauseinandersetzung einen Ausgleich fordern. „Die erbrachten Pflegeleistungen sind weit auszulegen“, erklärt Rechtsanwalt Theiss. „Neben der eigentlichen Pflege, Waschen, Anziehen, Essen anreichen und ähnliche Tätigkeiten kann es für die Begründung eines Ausgleichsanspruchs im Einzelfall ausreichen, wenn ein Kind ständig als Ansprechpartner für die Eltern zur Verfügung gestanden hat. Oder auch für den Fall, dass plötzlich Hilfe erforderlich wird.“
Was kann ein Kind, das seine Eltern gepflegt hat, als Ausgleich fordern? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Das Gesetz hält keine exakte Berechnungsformel bereit. Es heißt dort lediglich: „Der Ausgleich ist so zu bemessen, wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht.“ Es liegt auf der Hand, dass eine solch schwammige Formulierung in der Praxis streitanfällig ist. Anhaltspunkte für die Ermittlung des Anspruchs könnten bei Pflegeleistungen die ersparten Aufwendungen für professionelle Dienstleister sowie für die Heimunterbringung sein, falls diese ohne die Unterstützung des Kindes unumgänglich geworden wäre. Zahlungen der Pflegekasse, die bei professioneller Pflege und Unterbringung geleistet worden wären, müssten dabei als fiktiver Berechnungsposten natürlich abgezogen werden.
Beim pflegenden Kind zu berücksichtigen wären mögliche Einbußen beim Job. Wenn es während der gesamten Zeit unentgeltlich mit im Elternhaus gewohnt hat, ist dies ein Vorteil, den es sich anspruchsmindernd anrechnen lassen müsste. „Auf den Cent genau lässt sich der Ausgleichanspruch in keinem Fall beziffern“, erklärt Rechtsanwalt Theiss. „Dies ist vom Gesetzgeber so auch nicht gewollt, denn der Ausgleich soll der Billigkeit entsprechen.“
Hilfestellung bei der Ermittlung des Werts von besonderen Leistungen einzelner Kinder sowie der Auslotung eines angemessenen Ausgleichs bieten Fachanwälte für Erbrecht, die viel Erfahrung damit haben. Auch ein Mediator kann helfen, Konflikte zu lösen und einvernehmliche Regelungen zu finden. Sind sich am Ende alle Geschwister einig, erhält das Kind vorab vom zu verteilenden Vermögen eine Sonderzahlung.
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