Vom 1. Februar 2017
(dpa/red). Im Erbscheinserteilungsverfahren wird durch das Nachlassgericht bestimmt, wer im Erbschein als Erbe ausgewiesen wird. Wer am Verfahren nicht beteiligt ist, hat erstmal keine Chance als Erbe ausgewiesen zu werden. Ist nicht gänzlich fernliegend, dass jemand Erbe sein könnte, muss er aber am Verfahren beteiligt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München.
Der Fall
Der Erblasser bestimmt in seinem Testament, dass nach seinem Tod ein Bekannter von ihm eine „Wohnung nach Wahl von 4 erhält, die das „lebenslange“ Wohnrecht gewährleistet.“ Der Bekannte meint, dass er aufgrund dessen Erbe geworden ist und möchte am Erbscheinserteilungsverfahren beteiligt werden. Das Nachlassgericht ist hingegen der Ansicht, dass er weder als gesetzlicher noch als testamentarischer Erbe in Betracht kommt, vielmehr ist er (nur) Vermächtnisnehmer in Bezug auf eine von vier Wohnungen, zwischen denen er wählen könne. Ein solcher hat jedoch keinen Anspruch, am Verfahren beteiligt zu werden.
Es gibt viele Gründe am Erbscheinserteilungsverfahren teilnehmen zu können.
Das OLG München sieht dies anders als das Nachlassgericht: An einem Nachlassverfahren sind diejenigen Personen zu beteiligen, die entweder einen Antrag gestellt haben, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird und diejenigen, die als sog. Kann-Beteiligte einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt haben. Soweit eine Hinzuziehung in Rede steht, sind auch diejenigen zu beteiligen, die (nur) mittels Auslegung oder nur in einer aufgehobenen Verfügung Erben sein können. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das OLG der Ansicht, dass der Bekannte des Erblassers am Verfahren zu beteiligen ist. Aus dem Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften, der Sicherstellung der Gewährung rechtlichen Gehörs, ergibt sich, dass eine Beteiligung immer dann zu erfolgen hat, wenn das behauptete Recht nicht von vornherein gänzlich fernliegend ist, wobei eine abschließende rechtliche Würdigung bei der Zulassung zum Verfahren nicht erfolgt. Die endgültige Klärung der Frage, ob etwa der Bekannte des Erblassers in eigenen subjektiven Rechten verletzt ist, ist hingegen erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Hintergrund dessen ist, dass nicht auf vorgelagerter Ebene Fragen entschieden werden sollen, für die u. U. erst noch eine Beweisaufnahme durchgeführt werden muss.
Wenn es möglich ist, Erbe zu sein, muss man beteiligt werden.
Soweit sich der Bekannte im vorliegenden Fall darauf beruft, er sei testamentarischer Erbe geworden, ist eine derartige Auslegung des Testaments nicht von vornherein völlig ausgeschlossen. Für sie lässt sich immerhin die Rechtsprechung der Obergerichte, wonach die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstands, zumal einer Immobilie, eine Erbeinsetzung darstellen kann, anführen. Auch die vom Nachlassgericht vorgenommene Auslegung im angefochtenen Beschluss dahin, dass es sich insoweit lediglich um ein Vermächtnis handelt, ist grundsätzlich denkbar; insbesondere spricht dafür der Begriff „lebenslanges Wohnrecht“. Dies zu klären ist jedoch gerade Aufgabe des (materiellen) Erbscheinserteilungsverfahrens unter Mitwirkung der Anwärter auf das Erbe, nachdem diesen rechtliches Gehör gewährt worden ist und ihre Erklärungen im Verfahren berücksichtigt worden sind.
Oberlandgericht München, Beschluss vom 8.11.2016 (Az.: 31 Wx 254/16).
dpa: 01.02.